Live On Stage |
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Jazzfest Berlin 202460. Geburtstag mit Spiritual Jazz, Afro-Futurismus und TeeIndische Sounds wie im Jazz der Hippie Ära: das Vilhelm Bronander Unfolding Orchestra. Foto: OHA Die indische Langhalslaute Tanpura gespielt im Schneidersitz spielt die ersten Töne beim 61. Jazzfest Berlin, dazu indischer Dhrupa-Gesang von Marianne Sasek. Man fühlt sich sofort zurück versetzt in die Hippie Ära, in der nicht nur die Rockmusik nach Ostasien schaute und Inspiration und Spiritualität suchte, sondern auch der Jazz. Doch wo früher echte Räucherstäbchen qualmten, dampft heute nur eine Nebelmaschine. Immerhin, die Teekanne neben der Sängerin ist geblieben, kommt aber bei diesem kurzen Konzert nicht mehr zum Einsatz. Das schwedische Vilhelm Bromander Unfolding Orchestra spielt die Musik im Geiste dieser Ära, Spiritual Jazz, mit einfachen Melodien, expressiven Soli und deepen Bläsersätzen. Dazu trommeln gleich zwei Schlagzeuger. Ein immer noch wirkungsvolles Konzept, das es inzwischen zu einer Art Klassikerstatus geschafft hat und wir von Pharoah Sanders, John und Alice Coltrane kennen. In diesem Geist spielen die Schweden Stücke mit Titeln (in Übersetzung) wie „Let Our Tears Be Weapons“. Das Jazzfest Berlin (damals hieß es noch Berliner Jazztage) wurde vor 60 Jahren mitten im Kalten Krieg in der drei Jahre zuvor eingemauerten Frontstadt West-Berlin gegründet. Es war Teil der Propagandaschlacht um die Herzen der Welt: Westen (Kapitalismus) gegen den Osten (Sozialismus). Der Jazz war dabei die Musik der Freiheit, die Musik der Offenheit gegenüber anderen Kulturen, die Musik des Westens, die aber eben auch den Osten und den globalen Süden, wie man heute sagen würde umarmte (siehe oben). Doch selbst mancher Jazzmusiker aus Amerika war gar kein Kapitalist, sondern eher dem linken Spektrum zuzurechnen (wie z.B. Charlie Hadens Liberation Music Orchestra). All dies geschah in einem Deutschland voller alter Nazis und voller Ressentiments gegen die Musik, die maßgeblich von Afroamerikanern erfunden bzw. entwickelt worden war, die die Nazis dennoch zu Propagandazwecken benutzt und oft sogar selbst gehört haben. Es gab Vorurteile, die teilweise bis heute fortbestehen und zementiert sind, in krass unterschiedlichen Förderbudgets für Jazz und Klassik, oder in der Unterscheidung in hochwertige Ernste- und minderwertige Unterhaltungs-Musik (E- und U-Musik), die in vielen Institutionen in Deutschland, von öffentlich-rechtlichen Sendern, bis hin zur GEMA bis heute weiterhin Bestand hat, auch wenn viele Jazz- und Popredakteur*Innen und Musikverbände seit Jahrzehnten hart an deren Bröckeln arbeiten. Mit Nadine Deventer steht nun seit einigen Jahren erstmals eine Frau an der Spitze des wohl immer noch wichtigsten deutschen Jazzfestivals, darauf weist Festspielintendant Matthias Pees in der Eröffnungsbegrüßung hin, ebenso die Jazzredakteurin des SWR Julia Neupert, die nun ebenfalls seit einigen Jahren eine einstige Männerdomäne übernommen hat. Der Jazz wird nun auch weiblicher, was sich nicht nur in den Leitungs- und Redakteursposten niederschlägt, sondern auch im Programm und den Besetzungen der Bands. Die angekündigte Rede von Posaunist und Jazztheoretiker George Lewis zum 60. Geburtstag des Jazzfest Berln wurde dank terminlicher Probleme nur in Form einer Videoeinspielung gezeigt. Lewis schlägt in seiner Rede den Bogen von seinen ersten Auftritten in Berlin Anfang der 70er Jahre, erinnert an Festivalgründer Joachim Ernst Behrendt und kontroverse Diskussionen über die Angemessenheit des Begriffs Jazz für die vielfältige Musik, die unter diesem Label auf Alben und Festivals veröffentlicht und promotet wird und endet mit der Antwort auf die Frage „What is Jazz? You will never know!“ Nur der Flügel zählt: Marilyn Crispell solo. Foto: OHA Die amerikanische Pianistin Marilyn Crispell zeigt anschließend in ihrer Soloperformance das weite Feld der Möglichkeiten von Improvisation mit den 88 Tasten auf. In 45 Minuten macht sie einen Ausflug von swingenden Blockakkorden á la George Shearing zu orkanartigen Tremolos á la Cecil Taylor. Die dunkle linke Seite der Tastatur liegt der 77jährigen Grand Dame der improvisierten Musik offensichtlich mehr als die hell scheinenden Höhen auf der Rechten, die sie nur selten beachtet. Doch neben dem Brachialen zeigt Crispell auch immer wieder ihre lyrische und zarte Seite mit vereinzelt tröpfelnden Tönen im Pianissimo. Rockt sein Saxophon wie ein ganz Junger: Joe Mc Phee. Foto: OHA Die Band Decoy featured den 87jährigen Saxophonisten (und Trompeter) Joe McPhee. Der hat zwar seine im Programmheft angekündigte Taschentrompete zuhause gelassen, widmet sich stattdessen aber dem Tenorsaxophon und der Spoken Word Poetry, posiert mit roten Sneakern, Blue Jeans und einem Sweatshirt mit AC/DC-Logo verschmitzt wie ein Oberschüler mit Spaß an der Provokation. Um John Coltrane geht es im ersten Teil „How long has Trane been gone?“ fragt McPhee und lässt den legendären Saxophonisten mit einigen hohen Tönen aufleben. Alexander Hawkins spielt in der Band zwar die gute alte Hammond-Orgel, zeigt aber, dass das Instrument noch lange nicht alt und verstaubt klingen muss, ganz im Gegenteil. Hawkins ist nicht nur ein Virtuose der Töne, sondern auch ein Virtuose im Umgang mit den Modulationsmöglichkeiten der Hammond-Orgel, vom Kirchenorgelhaften Klangflächen bis hin zu perkussivem elektroakustischem Fiepen, wie in einem Computerspiel oder in neuer elektronischer Musik. Er ist sicher einer der interessantesten Hammond-Spieler unserer Zeit und ein schöner Link von der von Joe Mac Phee beschworenen Coltrane-Ära, die ja bereits 1967 endete in die heutige Zeit. Jeder Schlag ist wertvoll: Sun-Mi Hong. Foto: OHA Bereits zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit darf die niederländische Schlagzeugerin Sun-Mi Hong beim Jazzfest Berlin performen. Diesmal hat sie ihr BIDA Orchestra mitgebracht, das aber eigentlich nur ein Sextett ist. Atmosphärischer zeitgenössischer Jazz erfüllt die Seitenbühne des Festspielhauses, komponiert von der Schlagzeugerin für drei Bläser*Innen und eine Rhythmusgruppe mit einem Fender Rhodes Piano, dessen Effektgeräte für einen dezent elektronifizierten Sound der ansonsten eher konventionellen Besetzung sorgen. Mit großer Konzentration und Intensität spielt Hong ihr Schlagzeug, hängt jedem Beckenschlag nach. Mit dem Outfit könnte sie auch im Sun Ra Arkestra performen: Lakecia Benjamin. Foto: OHA Ein paar Hundert Meter entfernt vom Festspielhaus geht es wilder zu. Die New Yorker Alt-Saxophonistin Lakecia Benjamin rockt in ihrem goldenen Bühnenoutfit die Bühne des Quasimodo und zeigte, was für ein toller Klub dieser Keller unter dem Delphi-Kino immer noch ist, insbesondere für Konzerte, die von dieser unmittelbaren Energie leben, wie sie die afroamerikanische Saxophonistin hervorzubringen imstande ist. Coltranes „My Favourite Things“ macht sich Lakecia mit ebenso großer Power zu eigen, wie den Gospel-Klassiker „Amazing Grace“ und bringt das Publikum mit ihrem durchdringenden Sound und überbordender Energie auch dank einer druckvollen Band zum Tanzen und Jubeln. Cannonball Adderley, David Sanborn und Maceo Parker lassen grüßen, Prince oder gar Miles Davis hätten sie sicher liebend gerne in ihrer Band gehabt. Ein mitreißender und fröhlicher Abschluss für den ersten der vier Festivalabende der Jubiläumsausgabe. An Tag zwei startet der schwedische Trompeter Goran Kajfes mit seinem sechsköpfigen Projekt Tropiques den Festivalabend. Ein Moog-Drone zieht allmählich hinein in eine hypnotische minimalistische Melodiephrase, es folgen Soli von Cello, Trompete, Violine und Piano und das Ganze wird zu einem modalen Groove. In dem Projekt scheint sich Kajfes mehr am Synthesizer austoben zu wollen, als an der Trompete, kaum setzt er die Trompete an, lässt er sie schon wieder fallen und wendet sich wieder dem Moog-Synthesizer zu, führt von dem monophonen Instrument aus die Band in einen treibenden 3/4-Takt oder ein weiteres Stück im 10/8-Takt. Fast immer, wenn er Trompete spielt, wendet er sich ab vom Publikum, steht im Profil und wendet auch seinen Mitspieler*Innen der Rücken zu. Violine und Cello bilden ein perfektes Match und performen die minimalistischen Phrasen mit großer Intensität. Die gibt es auch im Konzert von Pianistin Kris Davis. Sie hat sich mit Val Jeanty eine Elektronik-Performerin mitgebracht, die nicht nur scratcht und sampelt, sondern auch elektronische Percussion spielt (wie zuletzt auch beim A L'Arme-Festival zu sehen war). Geschmackvoll und niemals aufdringlich ergänzt sie mit Geräuschen und elektronischen Konga-Schlägen den Sound der drei anderen. Nick Dunston ist hier zunächst am E-Bass, später auch am Kontrabass zu hören, die er beide mit gewohnt souveräner Intensität spielt. Im Zusammenspiel mit Drummerin Terry Lyne Carrington entsteht ein frei groovendes Klanggeflecht, unterbrochen von plötzlichen gemeinsamen Breaks. Neben eigenen Kompositionen performt das kanadisch-US-amerikanische Quartett auch ein Stück von Geri Allen und ein Uptempo-Bop von Wayne Shorter. Die Performance endet mit einem Free-Funk und dem berühmten Sample: „This is a journey into sound“, bekannt vom HipHop-Hit „Paid in Full“ von Eric B. & Rakim aus dem Jahr 1987. Ein Gigant mit Freude am Geräusch: Joe Lovano. Foto: OHA Mit Joe Lovano steht eine weitere New Yorker Jazzlegende auf dem Programm. Im Trio Tapestry ist er vereinigt mit Schlagzeuger Carmen Castaldi und Pianistin Marilyn Crispell, das gleichnamige ECM-Album stammt von 2018. Lovano fröhnt in diesem Line-Up nicht nur seiner Liebe zu einem warmen Bop-Tenor-Sound, sondern auch einer geradezu kindlich wirkenden Liebe zu Geräuschen von Gongs und kleinen chinesischen Handtrommeln, die er hier auch selbst spielt. Um auch in der Höhe, diese tiefe Wärme zu haben, hat er als zweites Blasinstrument, nicht wie üblich, ein Sopransxophon dabei, sondern das aus Holz bestehende ungarische Tarogato, das wir auch von Peter Brötzmann kennen. Politisch engagierter Drummer (hier bei seinem zweiten Auftritt mit dem GEORGE-Projekt). Foto: OHA Im Nachtprogramm nimmt sich der amerikanische Schlagzeuger John Hollenbeck einer Predigt von Martin Luther King Jr. an, die er im Februar 1968, zwei Monate vor seiner Ermordung, gehalten hat: The Drum Major Instinct. In dieser Predigt klagt er am Bildnis des Tambourmajors, des überheblichen Anführers einer (Militär-)Parade, diesen unbedingten Willen zur Führung anderer, als Ursache für den Rassismus an. Auf der komplett verdunkelten Seitenbühne sind die Musiker kaum zu erkennen, auf einer Leinwand ist King's Predigttext in weißen Lettern auf schwarzem Grund projiziert, man hört die markante Stimme des afroamerikanischen Bürgerrechtlers. Drummer und Komponist Hollenbeck hat drei Posaunisten in einen Kontrapunkt zu dieser Stimme gesetzt, zur äußerst melodischen und rhythmischen Sprechweise von Martin Luther King, voller Kunstpausen und expressiver Dynamik. Mal stützen sie dreistimmig den Text, mal singen sie gegen ihn an, dann wieder explodieren sie in einem gemeinsamen Unisono mit dem Prediger. Dass sein Ende naht, schien Martin Luther King damals schon zu ahnen: man solle ihn nicht für seine vielen Preise in Erinnerung behalten, sondern als jemand, der bereit war, sein eigenes Leben für andere zu opfern, als Tambourmajor des Friedens und der Gerechtigkeit. Was für eine Message in Zeiten wo täglich Menschenleben geopfert werden, für die Größen- und Einzigartigkeitsfantasien Einzelner oder kleiner Gruppen. Dr. Martin Luther Kings Predigt ist aktuell wie nie. Stimmung wie beim Klassentreffen: vier Ehemalige und die aktuelle Jazzfest-Leiterin. (v.l.: John Corbett, Peter Schulze, Nadin Deventer, Richard Williams, Bert Noglik) Foto: OHA Am Samstagnachmittag, dem dritten Festivaltag, sind in der Kassenhalle im Rahmen des Jazzfest Research Lab eine Reihe Vorträge zu hören, u.a. Prof. Dr. Priscilla Layne über den ehemaligen Festivaldirektor George Gruntz, oder Dr. Ursel Schlicht über Transformations und Gendered Perceptions beim Jazzfest zwischen 1964-2024. In einer Talkrunde sprechen vier ehemalige Festivalleiter (John Corbett, Bert Noglik, Peter Schulze und Richard Williams) mit der ersten Festivalleiterin, Nadin Deventer, über Freud und Leid (missglückte musikalische Kollaborationen) des Programmgestaltens. Kontroversen gibt es hier keine, alle zeigen sich glücklich, den Job jemals erhalten zu haben, manch einer hätte sicher gerne mehr Zeit beim Festival gehabt. Die Radioleute unterstreichen die Ähnlichkeit zum Programmgestalten im Sender und John Corbett lobt Nadin Deventer, sie habe mehr verändert, als alle Festivalleiter zuvor. Von den legendären Machtkämpfen ums Jazzfest-Programm mit den ARD-Hörfunk-Anstalten, die einstmals viel mitreden wollten und durften und die vor jedem Konzert ihre Redakteure auf die Bühne schickten, sowie ihre Radiobigbands im Programm platzierten, wurde allerdings nicht gesprochen. Beim 61. Jazzfest ist nun keine einzige Radiobigband im Programm, was nicht gerade eine Stütze ist, für die vier verbliebenen, permanent von Auflösung bedrohten, Jazz-Klangkörper. Mit einer Mixtur aus Noise, rockiger Gitarre, kammermusikalischem Free Jazz und Spiritual Jazz kommt Altsaxophonistin Anna Högberg mit dem österreichisch-dänisch-schwedischen Projekt Extended Attack daher. Vier weitere Bläser, zwei singende Sägen, erklingen nebst DJ, zwei Kontrabässen und zwei Drummer. So richtig zünden wollte das Konzept aber nicht, zu sehr verlor sich das Arrangement im Kleinklein von Duo- oder Trio-Improvisationen und zu wenig setzte sie auf die Kraft des gesamten Ensembles. Spielt bewegend und war selbst bewegt von seiner lebenslangen Jazzfest-Geschichte: Joachim Kühn. Foto: OHA Mit Joachim Kühn kommt dann ein Stammgast des Jazzfest Berlin mit seinem aktuellen French Trio auf die Bühne. Zart beginnt Kühn das Klavierspiel, doch ziemlich schnell spielt er sich mit Drummer Sylvain Darrifourcq und Kontrabassist Thibault Cellier in Rage. Kühn ist bekannt für sein kraftvoll überbordendes Tastenspiel und ausdauernden Improvisationen bis in Trance-artige Zustände. Der 80jährige war bereits mit 22 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder erstmals bei dem damals noch Berliner Jazztage genannten Festival, wie er nach dem Konzert sichtlich bewegt erzählt. Dieser Auftritt habe ihn, der gerade erst aus der DDR geflüchtet war, auf die Spur einer internationalen Jazzkarriere gesetzt, die bis heute, 58 Jahre später, anhalte. Möglicherweise sei dies ja der letzte Auftritt beim Jazzfest deutet Kühn an, wohl mit Hinblick auf sein Alter und erhält lang anhaltende stehende Ovation für sein Lebenswerk. Die einzige Frau im männlich dominierten Space Ship: Tara Middleton im Sun Ra Arkestra. Foto: OHA Auch das amerikanische Sun Ra Arkestra kann auf eine lange Geschichte beim Jazzfest Berlin zurückblicken. Bereits 1971 war es erstmals in Berlin zu sehen. Es ist der Prototyp einer Musik- und Kulturrichtung, die seit den 1990er Jahren Afro-Futurismus genannt wird. Der Nachfolger des Bandgründers, Komponisten und Keyboarders Sun Ra, Alt-Saxophonist Marshall Allen, der vor einigen Jahren noch mit in Berlin war, ist inzwischen 100 Jahre alt und darf inzwischen gesundheitsbedingt nicht mehr reisen. So übernimmt nun der Alt- und Baritonsaxophonist Knoel Scott die Leitung des Orchesters, dessen visuelles Markenzeichen glitzernde Kostüme, Anspielungen auf das antike Ägypten, Raumfahrt und Science Fiction sind. Wo die meisten jungen europäischen Ensembles auf Gleichberechtigung drängen, regiert hier noch die alte autoritäre Schule. Scott, gekleidet in einen silbernen Fantasieraumfahreranzug, leitet die Band mit eiserner Faust, bestimmt ruppig und mit herrischer Geste, wer als nächstes soliert und wann Schluss ist. Auch die Tontechniker werden von ihm nicht verschont. Von futuristischer Geschlechtergerechtigkeit ist in dieser Band nichts zu sehen: zehn Männer bedienen die Instrumente, die einzige Frau in der Band ist die Sängerin (Tara Middleton). Sie umgarnt das Publikum mit feinen Gesten und großer Stimme und einem bezaubernden pharaonischen Lächeln auf den blau geschminkten Lippen. Das Erstaunliche am Sun Ra Arkestra ist, dass seine Musik im Vergleich zu den anderen Bands des Festivals zwar recht konventionell im Swing, Blues und bei lateinamerikanischen Rhythmen wie Habanera oder Bolero verbleibt, das Ganze aber dennoch auf eine subversive Art frisch und unterhaltsam klingt, was wohl zu einem Großteil an der Kostümierung liegt und der damit einhergehenden Karnevalsstimmung. Natürlich darf das Mantra-artig gesungene „Space Is The Place“ nicht fehlen. Vielseitiger Bassist und Improvisator: Nick Dunston (hier in der Band von Kris Davis). Foto: OHA Jazz speaks for life, schrieb Martin Luther King 1964 im Begrüßungsgeleitwort für die erste Ausgabe der Berliner Jazztage. Da dieses Leben nicht an der Eingangspforte zum Festspielhaus endet, hat Festivalleiterin Nadin Deventer den Aktionsradius hinaus in den armen Nachbarkiez Moabit erweitert und zahlreiche Musiker*Innen des Festivals mit Jugendlichen und Erwachsenen vor Ort Musik machen lassen. Unter der Überschrift Jazzfest Community Lab wurden verschiedene lokale Initiativen zu Partnern, vom SOS Kinderdorf bis hin zum Schulhort, vom Kieztheater bis zum Afrika-Haus. In ImproLabs u.a. im Jazz Institut Berlin konnten Jugendliche eine Woche lang in geschlossenen Workshops Improvisation und musikalische Interaktion erlernen. Bei den Jazzfest Specials gab es Theater, Performances und Konzerte. Höhepunkt: der Community Sunday, indem die vielen Teilnehmer*Innen ihre Ergebnisse zeigten. Nadin Deventer hat die Messlatte für die Festivalgestaltung damit erneut sehr hoch angesetzt, es geht nicht nur um die Musik an sich, ein interessantes Festivalprogramm auf den Hauptbühnen, sondern auch um die soziale Komponente vor Ort. Es geht um Musik mit sozialen und politischen Anliegen, historische Einordnung, um Gendergerechtigkeit, um das Hören marginalisierter Stimmen, um Musik und Improvisation als Mittel, um Leben auf eine neue Spur zu bringen. Ein Festival, das so breit und gesellschaftlich relevant aufgestellt ist, hat sicher viele weitere Jahre verdient. Oliver Hafke Ahmad Musikfest 2024 - São Paulo Symphony Orchestra und São Paulo Big BandKühne Klangkaskaden der Moderne, rasanter brasilianischer JazzMit dem Tempo der Großstadt: die São Paulo Big Band. Foto: OHA Im Hochsommer in Berlin braucht man auch mal Abkühlung. Das versprechen zumindest klimatisch die wohltemperierten Konzertsäle des Orchesterfestivals Musikfest 2024. Musikalisch geht es da dennoch mit 30 Orchestern und Ensembles in 40 Veranstaltungen mit über 160 Werken von 80 Komponist*Innen noch bis Mitte September geradezu schwindelerregend heiß zu. Den Auftakt für das große internationale Orchesterfestival machte das Doppelpack aus São Paulo Symphony Orchestra und São Paulo Big Band am Eröffnungsabend in der Berliner Philharmonie. Bei tropischen Temperaturen ein passendes Setting für anspruchsvolle Musik aus dem 20. Jahrhundert. Mit dem Komponisten Charles Ives steht ein zu Lebzeiten überwiegend missachteter Urvater der amerikanischen Moderne auf dem Programm, der sein Geld mit Versicherungen verdiente und dessen Werke kaum aufgeführt wurden. Mit seiner Komposition „Central Park In The Dark“ beginnt der vierteilige Konzertabend des São Paulo Symphony Orchesters unter der Leitung von Thierry Fischer. Das hat eine ungewöhnliche Aufstellung: die tiefen Streicher stehen hier links vom Dirigenten statt wie bei den meisten Orchestern rechts. Im Pianissimo und sehr langsam beginnt das Werk mit den hohen Streichern, allmählich kommen Klarinette, Kontrabässe und Celli hinzu, Akkorde vom Piano. Schließlich kommt Bewegung hinein und der Klang verdichtet sich, Kleine Trommel und Basstrommel haben zu tun. Das Orchester verhallt allmählich in Stille. Statt der im Programmheft angekündigten Hilary Hahn kommt für das Violinkonzert des Argentiniers Alberto Ginastera der Solist Roman Simovic auf die Bühne. Ginastera vermengte die traditionelle argentinische Volksmusik mit den musikalischen Errungenschaften der Moderne. Mit Unterstützung der Noten vom Tablet aber dennoch kraftvoll und ausdrucksstark spielt der ukrainische Geiger zu Beginn das minutenlange unbegleitete Solo in komplexer Rhythmik und voller großer Melodiesprünge, bevor das Orchester mit viel Perkussion einsteigt und alles in den nächsten beiden Sätzen zu einem dichten Geflecht mit Klangfarben von Harfen, Glockenspiel, Holzbläsern, Blech und allerlei Kleinperkussion verwoben wird, das ein wuchtiges Ende findet. Großer Applaus für Solist und Orchester! Hochdramatisch beginnt die Symphonische Dichtung „Uirapuru“ des brasilianschen Komponisten, Dirigenten, Cellisten und Gitarristen Heitor Villa-Lobos. Zu tiefem Blech und Streichern gesellt sich ein Sopransaxophon. Weite Linien, marschierende Rhythmen, Flöten und Xylophonklänge, später auch Glockenstäbe, mündet alles in einen galoppierenden Rhythmus und ein massives Orchestertutti, das dann überraschend und abrupt endet, und abschließend auf einem Unisono von Violine und Flöte ausklingt. An Klangfarben aber auch an Geräuschen kaum zu überbieten ist das Werk „Amériques“ von Edgard Varèse. Es zelebriert die Vielfältigkeit und den riesigen Möglichkeitsraum der vielen Amerikas von Nord bis Süd. Sehr gut beschäftigt sind hier das halbe Dutzend Schlagzeuger*Innen des São Paulo Symphony Orchestra. Hier kommen Schlagbrett, Klingel, Alarmsirene, Kastagnetten zum Einsatz neben der üblichen Orchesterperkussion aus kleinen und großen Trommeln, dem Marimba- und dem Xylophon oder der Celeste. Scharfe, an den Hitchcock-Film Psycho erinnernde Klänge münden in gewaltige Crescendi und ein aufregendes Gewirk mit drei pfeifenden Piccoloflöten. Die Präzision und Ausdrucksstärke des Orchesters und seiner Leitung wird mit stehenden Ovationen belohnt. Nach diesen kühnen Klangkaskaden der Moderne wirkt die São Paulo Big Band mit dem Programm aus Música Popular Brasileira mit zwar zeitgenössischen aber dennoch brav Dur-Moll-harmonischen Jazz-Arrangements ohne Ausflüge in die frei-improvisierende Avantgarde fast etwas zu konventionell. Das ebenfalls sehr gut besuchte Konzert im Großen Saal der Philharmonie bringt einerseits Erwartbares auf die Bühne, hochprofessionell arrangiert und gespielt von einer klassischen Big Band-Besetzung mit zwei zusätzlichen Perkussionist*Innen, die das Jazzschlagzeug ergänzen. Wirklich überraschen kann die Big Band aber konzeptionell leider nicht und leider sind die Solisten oft kaum zu hören, da sie ihre Plätze nicht verlassen und die Tontechniker offensichtlich nicht in der Lage sind, die jeweiligen Mikrophone hochzuziehen. Das für Jazz wesentliche Element der Improvisation bleibt dadurch akustisch an vielen Stellen etwas unterbelichtet, sehr schade. Dennoch zeigt das SPBB unter der Leitung von Daniel D`Alcantara neben Klassikern der brasilianischen Popmusik von Antonio Carlos Jobim („Girl from Ipanema“, „Chega da Saudade“), Chico Buarque („Feijoada Completa“) oder Jorge Ben Jor („Paìs Tropical“) im Big Band-Gewand Facetten und Kompositionen, die zumindest hier in Westeuropa weniger bekannt sein dürften. Die Big Band ergänzen bei einzelnen Songs Solisten wie der hochvirtuose Sergio Burani an der Klarinette mit einer rasanten Melodie namens „Um A Zero“, Claudia Nascimento in „Morães Frevo“ vom Saxophonisten Spok aus Pernambuco oder der Vibraphonist Ruben Zuniga in João Boscos „Linha de Passe“. Das Tempo der meisten Arrangements der SPBB ist schnell, und sicher dem Lebensgefühl in der Multimillionenmetropole São Paulo geschuldet, das keine gemächliche tropische Strandatmosphäre aufkommen lässt. Mit Paula Lima kommt dann zum Schluss keine zierliche Bossa Nova-Stimme, sondern eine stimmgewaltige, an Chaka Khan erinnernde Sängerin auf die Bühne, die das Publikum mit Stimme, Lockenmähne und Outfit gleichermaßen zu beeindrucken weiß und die krative Kraft der afrobrasilianischen Community bestens repräsentiert. www.berlinerfestspiele.de/musikfest-berlinA L'arme!-Festival 2024Ende mit Ausrufezeichen!Der Künstlerische Leiter des Festivals Louis Rastig bei der Eröffnung der finalen Ausgabe. Foto: OHA „Lieber aufhören, als langsam ausbluten“, so beschreibt Louis Rastig in einem Radio-Interview die Situation. Zwar haben er und seine Geschäftsführerin Karina Mertin Fördergelder vom Berliner Kultursenat für vier weitere Jahre erhalten, aber eben deutlich weniger als beantragt. Die Konsequenz: siehe oben. Dass wir hier von Förderbeträgen, von rund 50.000 EUR pro Festivaltag reden, die nicht ausreichen sollen, scheint aber auf den ersten Blick doch recht verwöhnt. Schaut man sich allerdings den Aufwand an, der hier im Radialsystem betrieben wird, kann man sich schnell lange Zahlenkolonnen und negative Summen am Ende der Excel-Tabellen vorstellen: zwei große Säle sind angemietet, jeweils ausgestattet mit Bühne, Tribüne, Backline, Licht-, Video- und natürlich Tontechnik und die dazugehörigen Techniker*Innen, und alles state of the art, Künstler, die exklusiv eingeflogen werden, neben den Honoraren also auch Hotel- und Reisekosten, lokalen Transport, Catering, Ausländersteuer, Künstlersozialabgabe und eine Veranstalterhaftpflichtversicherung erfordern. (Wie notwendig die ist, sah man am zweiten Abend: ein großer Ast brach von einem Baum direkt über dem Eingang zum Gelände des Radialsystems, dem ehemaligen Wasserpumpwerk an der Spree, glücklicherweise wurde niemand verletzt.) Dann kommen noch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit online und offline hinzu, die Arbeit all der Helfer vor Ort und die Arbeit der Programmmacher in den Wochen und Monaten zuvor und deren administrative Kosten für Büro etc. Musik, Licht, bewegte Bilder: Videokünstlerin Saou TV, Gitarristin Steffi Narr und Drummer Oliver Steidle. Foto: OHA Festivals zu machen oder generell Konzerte veranstalten ist also keineswegs nur der Luxus, seine Lieblingskünstler*Innen anzufragen und diese in ein sinnvolles Konzept, an einen passenden Ort zu einem interessierten Publikum zu bringen, sondern sehr viel Rechenarbeit und Kopfzerbrechen darüber, wie all die nicht vorhandenen Mittel ersetzt werden können, ohne dass die Qualität des Ergebnisses leidet. Dieser Aufgabe haben sich Louis Rastig und Karina Mertin im Rahmen des A L'arme!-Festival zum letzten Mal gestellt und einen furiosen ersten Abend kreiert, der all das auf den Punkt bringt, was in den vergangenen elf Ausgaben erarbeitet wurde. Es ist ein Festival der freien Musik, allerdings nicht ausschließlich des inzwischen klassischen Free Jazz, sondern einer Musik, die Drones (lang anhaltende Klänge), Loops, Live-Sampling, elektronische und digitale Effektgeräte, analoge und digitale Musikinstrumente, Rock-Grooves, Break-Beats, zeitgenössische Komposition, aber auch weltmusikalische Anklänge und Instrumente in spannenden Performances zum Klingen bringt. Dass bei der letzten Ausgabe dennoch keine Trauerstimmung aufkommt, liegt sicher nicht nur daran, dass Rastig in diesem Jahr eine neue Platte herausgebracht hat und damit seine eigene Karriere als Musiker fortführt, er im Kuratorium bei der Monheim Triennale sitzt und als Mitglied im European Jazz Network mit der Referenz von zwölf Jahren Festivalmachens sicher auch in Zukunft schöne Aufgaben angetragen bekommt. Es liegt vor allem daran, dass die Musik des Festivals für Emotionen wie Trauer keinen Platz hat. Eher schon für Wut. Das Cello als Feedback-Produzent: Leila Bordreuil. Foto: OHA Den Auftakt macht die Cellistin Leila Bordreuil aus den USA. Etwas angsterfüllt beginnt die Solo-Performance nach dem Stimmen und Kolophonieren des Bogens mit dem Suchen nach einer technischen Fehlerquelle vor dem versammelten still abwartenden Publikum. Neben Leila steht ein Mischpult und eine Kollektion von miteinander verkabelten Effektgeräten auf dem Tisch und am Boden, deren Zusammenspiel in Feedback-Schleifen und Loops, den besonderen Drone-Sound erzeugt, der dann glücklicherweise doch irgendwann ganz leise einsetzt, in dem sie ihr Cello vor dem Monitorlautsprecher hin- und herschwingt. Leise bleibt es aber nicht lange, nach und nach werden weitere Obertöne aufgetürmt, Loops eingespielt. Bordreuil improvisiert teils sehr elegisch, dann wieder rockt sie das Instrument wie eine E-Gitarre. Ein Metallschwamm zum Putzen von Töpfen wird um ein Mikrofon gewickelt und knistert elektronisch verstärkt. Immer wieder steht sie auf vom Instrument und arbeitet nur mit den Effektgeräten. Nach rund 45 Minuten ist die Performance mit flirrenden Flageolett-Tönen verklungen. Intensive Blicke und ebensolches Spiel: Steffi Narr. Foto: OHA Beim nächsten Act befinden sich drei Personen auf der Bühne, neben Gitarristin Steffi Narr und Schlagzeuger Oliver Steidle, performt die Videokünstlerin Saou TV. Alle drei leben in Deutschland und füllen die Bühne dennochwie internationale Stars. Steidles Spiel hat die Wucht, Kraft und den Sound eines Rock- und Breakbeat-Schlagzeugers und die Vielseitigkeit eines frei improvisierenden Jazzmusikers. Steffi Narr spielt ihre Halbakustik-Gitarre mit energischen Abschlägen und rhythmischer Präzision. Immer wieder versinkt sie in ihr Spiel ohne aufzusehen, um dann nach etlichen Klangkaskaden, deren Wirkung auf ihren Duo-Partner am Schlagzeug zu beobachten. Die beiden schaukeln sich hoch, um dann wieder freier auseinander zu gehen. Narr benutzt ihr Handy um die Tonabnehmer anzuregen, bürstet die Saiten und Pickups und lässt keinen Zweifel daran, dass sie nicht nur in der Free-Impro-Szene, sondern auch in jeder Rockband eine sehr gute Figur machen würde. Der Schatten inmitten einer Lichtquelle: Das Duo Projekt Antumbra. Foto: OHA Im zweiten Saal treffen Schlagzeuger Christian Lillinger und Pianist und Keyboarder Elias Stemeseder im Projekt Antumbra unter vier quadratisch angeordneten Videoleinwänden aufeinander. Sowohl Lillinger als auch Stemeseder haben ihr akustisches Instrumentarium ergänzt um Elektronik. Stemeseder hat neben einem leicht verstimmten Klavier ein Spinett mitgebracht, auf dem zwei Midi-Tastaturen stehen, mit denen weitere analoge Synthesizer angesteuert werden. Ein Sampler ergänzt das Set-Up. Lillinger hat zwei Tablets dabei, die wohl für Sounds und Effekte genutzt werden. Sein Drum-Set ist ergänzt um Klangstäbe und Glocken. Die extra dünnen Sticks, die Lillinger gerne benutzt, erzeugen seinen typischen leichten und dennoch bei Bedarf energisch knallenden Sound. Lillinger spielt einen zumeist unsymmetrischen rhythmischen Fluß, der starke Akzente und teils nur erahnbare Klänge vereint und wellenartig auf und abebbt. Auf den vier in alle Richtungen zeigenden Videoleinwänden gehen allmählich stilisierte Papierrollenmuster wie aus einer Drehorgel über in eine seltsame Landschaft, die sich als verfremdete Vogelperspektive der Instrumente auf der Bühne entpuppt. Die schwarzweißen Bilder kontrastieren mit dem spärlichen einfarbigen Licht, in das die beiden Musiker getaucht werden. Die Gitarre stürmt, die Frisur sitzt: Keiji Haino im Trio mit Paal Nilssen-Love am Schlagzeug und Sofía Salvo am Baritonsaxophon. Foto: OHA Mit Keiji Haino kommt ein japanischer Vertreter des Grenzbereichs von Avantgarde-Rock, Free-Jazz und Noise auf die Bühne. Mit dunkler Brille und langen weißen Haaren ist der zweiundsiebzigjährige Gitarrist, Multiinstrumentalist und Komponist eine besondere Erscheinung. Er war bereits beim ersten A L'Arme! Festival dabei. Mit ihm stehen die argentinische Bariton-Saxophonistin Sofía Salvo und der norwegische Schlagzeuger Paal Nilssen-Love auf der Bühne. Nilssen-Love hat neben dem Drumset auch große Gongs und weitere Perkussion dabei. Meditativ ist aber nur der Beginn, schnell wird es hochenergetisch und emotional. Haino spielt punktuierte Cluster, steckt sich später einen Löffel zwischen die Pickups der roten SG-Rockgitarre und verstimmt damit die Saiten und spielt immer wieder auf dem Boden hockend, wie in einer Rock-Meditation. Gleich drei Gitarrenamps türmen sich hinter ihm auf, ergänzt von einem mannshohen Bass-Amp. Der so produzierte wuchtige Klang wird durch intensive Schreie ergänzt, die Sofía Salvo mit ihrem Baritonsaxophon kontrapunktiert. Digitaler HipHop trifft Jazz: das amerikanisch-skandinavische Projekt Økse. Foto: OHA Am zweiten Festivaltag stimmt die amerikanisch-norwegisch-schwedische Band Økse das Publikum auf den Abend ein. Hier geht HipHop-Kultur vertreten durch DJ Val Jeanty, die neben den digitalen Plattentellern auch elektronische Percussion spielt, mit zeitgenössischem Modal- und Free Jazz eine Verbindung ein. Jeanty gibt die Grooves vor, scratcht und spielt Soundschnipsel ein, Peter Eldh improvisiert variantenreiche Linien. Schlagzeugerin Savannah Harris steigt mit fetten Breakbeats darauf ein und Mette Rasmussen lässt ihren kernigen Altsaxophonsound erklingen. Live gezeichnet und musiziert: Ephermeral Fragments & 1. Foto: OHA Visuell äußerst ansprechend ist das Projekt Ephemeral Fragments & 1. Unter den vier Videoleinwänden im Saal sitzen auf der quadratischen Bühne die vier Performer einander gegenüber, drehen dem Publikum also jeweils den Rücken zu. Korhan Erel erzeugt mit Perkussion, Synthesizern und Loop-Effekten, Schaben, Knacksen, Klingeln. Vom (dem Basssaxophon ähnlichen) Tubax von Florian Walter kommen tiefe langgehaltene Töne oft im Unisono mit dem Cello von Emiliy Wittbrodt. Sie erzeugen einen Soundtrack wie von Alltagsgeräuschen in einem fiebrigen Tagtraum. Dazu sehen wir auf den vier Projektionsflächen die auf dem Smartphone gezeichneten Bilder von Lena Czerniawska: Ein Kopf aus dem Fäden lange Tränen wachsen, der dann übermalt wird von einem Wal, dazu handschriftliche Texte auf Polnisch. Keineswegs zum Einschlafen, sondern sehr intensiv: die drei Norweger von I Like To Sleep. Foto: OHA I Like To Sleep heißt das Projekt dreier junger Norweger. Vibraphonist Amund Storløkken Ase spielt sein Instrument mit leicht verstimmenden Effekt und ergänzt um ein kleines Mellotron-Keyboard. Die digitale Version des legendären Magnetband-Keyboards aus den 60er Jahren, harmoniert sehr gut mit dem Vibraphon und wird kontrastiert von dem brutalistischen Bariton-Gitarrenspiel von Nicolas Leirtro. Der benutzt die tiefer gelegte sechssaitige Gitarre überwiegend als rockig krachendes Bass-Instrument, durchsetzt von gelegentlichen Akkorden. Drummer Øyvond Leite lässt keinen Zweifel daran, dass ihm energetischer Rock mindestens genauso am Herzen liegt, wie die Flexibilität des Jazz. Expressive Performerin aus Argentinien: Sofía Salvo. Foto: OHA Die volle Breitseite einer High-Energy-Free-Jazz-Free-Rock-Performance liefert Yexxen, die allesamt ganz harmlos und sommerlich in kurzen Hosen auf die Bühne kommen. Sommerlich leicht bleibt es aber nicht. Bariton-Saxophonistin Sofia Salvo brüllt um die Wette mit dem E-Bassist Guido Kohn. Claire Nico bearbeitet ihre Lap-Steel-Gitarre mit dem Bogen und Drummer Bobby Glew trommelt und schreit sich die Seele aus dem Leib und verdreht dabei die Augen, wie in einem exorzistischen Rausch. Es entsteht ein wütender Soundtrack der immer nur weitere Steigerungen kennt: krass, krasser, am krassesten. Der Abschluss- und Abschiedsabend des A L'arme!-Festival war dann mit vielen weiteren Improvisations- und Elektronik-Acts wie Caspar Brötzmann oder Gudrun Gut der im Mai verstorbenen Berliner Veranstalterin Monika Döring gewidmet, was aus Rock-und Pop-Sicht sicher richtig, für den Jazzanteil aber doch eher fragwürdig ist: das Loft, ein Klub im Westberliner Metropol, war in den 80er Jahren ohne Zweifel wichtig für viele Rock-, Punk-, Indie- auch HipHop-Bands am Anfang ihrer Karriere, aber ein Ort für Jazz oder improvisierte Musik war es eher nicht. Für den Jazz und die improvisierte Musik der 70er und 80er Jahre wäre eine Würdigung von Giorgio Carioti und des legendären Quasimodo unter dem Kant-Kino, das seit dem Mauerfall seine Bedeutung allerdings weitgehend verloren hat, sicher angebrachter. Die Würdigung Dörings gilt also weniger ihrer Bedeutsamkeit für die Szene der improvisierten Musik oder des Jazz, als vielmehr ihrer Offenheit und Neugier und der ideellen Unterstützung als „Stammgästin“, wie es auf der Website heißt. Dass das A L'arme! Festival nun von seinen Macher*Innen nach nur zwölf Ausgaben eingestellt wird, ist wirklich zu bedauern und zeigt, welch schweren und unsicheren Stand experimentelle und neue Musik in der Berliner Kulturförderung und damit Kulturpolitik hat. Allerdings kann man sicher sein, dass im nicht gerade an kreativen und findigen Leuten armen Berlin, bald jemand anderes mit einer neuen Festivalidee um die Ecke kommt, seine Förderanträge stellen und gewinnen wird und die Lücke für die experimentelle improvisierende Musik dann schnell wieder schließt. Berlin ist eben ein Ort der ständigen Veränderung, des Kommen und Gehens, das gilt auch für die Kultur- und Festivallandschaft, erst recht die zumeist prekär finanzierte freie Szene. Mehr Kontinuität wäre sicher wünschenswert, sowohl für die Produzenten, wie für die Künstler*Innen, trägt aber immer auch das Risiko der Stagnation und Ermattung, dem sind Louis Rastig und Karina Mertin nun zuvor gekommen und haben mit der letzten Ausgabe des A'larme! Festivals ein Ende mit Ausrufezeichen gesetzt. Oliver Hafke Ahmad Sonic Pluriverse 2024 - TerapiaMusik als TherapieJuli 2024. Das große Open Air Sommerfestival auf dem Dach der Berliner Haus der Kulturen der Welt heißt unter der neuen Leitung von Musikkuratorin Edna Martinez seit 2023 nun nicht mehr Wassermusik, sondern Sonic Pluriverse und spielt mit dem Namen an, auf die Essay-Sammlung „Pluriverse“ aus dem Jahr 2019, in der es um nichts geringeres geht, als die Transformation unserer Welt hin zu einer ökologisch, ökonomisch und sozial gerechteren. Unter der Überschrift „Terapia“ wird hier Musik präsentiert, die eben nicht nur unterhalten will oder auf Gewinnmaximierung der Produzenten und Performer aus ist, sondern auch einen heilenden Aspekt für ein Individuum oder eine Commnunity hat. Wir haben uns am letzten Festival-Wochenende ein wenig terapia verschreiben lassen. Desert-Blues-Gitarre trifft auf Talking Drum: Samba Touré. Foto: OHA Eingesprungen als Ersatz für die Band Siti Muharam legt der in der Nähe von Timbuktu geborene Gitarrist und Sänger Samba Touré im Duo mit seinen beiden Perkussionisten einen beeindruckendes Set hin, das den Blues Malis im Stile des großen Vorbilds Ali Farka Touré mit einer Telecaster-Style-Gitarre aufleben lässt. Einige der Songs des sympathischen Sängers mit dem Cowboy-Hut haben auf Spotifiy mehrere Millionen Hörer. Hier erklingt seine Stimme zum Bass getrommelt auf einer Kürbishälfte und den prasselnden, sich in der Tonhöhe verändernden Beats einer Talking-Drum, die unter dem Arm geklemmt gespielt wird. Trommeln für die Unabhängigkeit in der West-Sahara: Aziza Brahim. Foto: OHA Mit Aziza Brahim kommt eine Sängerin und Aktivistin der durch Annektierung durch Marokko seit den 70er Jahren aus der Westsahara vertriebenen Sahaurischen Bevölkerung auf die Open Air Bühne des HKW. Es werden die Fahnen der Demokratischen Arabischen Republik Sahara geschwungen, ein Land, dass von nur 50 Ländern der Erde anerkannt wird. Es ist also ein sehr politisches Konzert, in dem es um Selbstbestimmung und Anerkennung der eigenen Kultur geht. Brahim hat dabei im Laufe ihres Lebens auch andere Kulturen kennengelernt, hat in Kuba gelebt, spricht fließend Spanisch und lebt nun auch dort. In ihrer Musik fließen die Klänge andalusischer Flamencogitarren ganz selbstverständlich mit dem Rhythmus Nordafrikas und dem Chorgesang ihrer Heimat in der Westsahara zusammen. Schön zu hören in dem Song „Lagi“ dessen hypnotischer Call-and-Response auch auf der Bühne des HKW zu hören war. Bei einigen Songs reichen ihre helle und kräftige Stimme und die von ihr selbst gespielte Trommel, um ihr Publikum in Verzückung zu versetzen. Musik als Familientherapie: Vater und Sohn in der Band Lindigo. Foto: OHA Lindigo ist ein 10köpfiges musikalisches Familienunternehmen von der Insel La Réunion im Indischen Ozean, rund 700km entfernt von Madagaskar. Der aktuelle politische Status entwickelte sich aus der französischen Kolonialgeschichte und La Réunion gehört noch heute zu Frankreich und damit zur EU. Seine Einwohner stammen aus Ost-Afrika, dem indischen Kontinent, China und aus Frankreich und haben sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Kreol-Kultur mit einer eigenen Sprache vermischt. Die Musik der Band lebt aus der Spannung von Call-and-Response-Wechselspielen, angeführt vom Familienoberhaupt Olivier Araste an Kastengitarre und kleinem Akkordeon und erwidert von der Frau Lauriane und dem Chor der drei Töchter und Nichten, sowie weiteren Brüdern und Cousins an weiteren Perkussionsinstrumenten. Das Tempo der Songs ist hoch und die Kompositionen haben ein hohes Energielevel, getragen von einer wuchtigen mit Kuhfell bezogenen Basstrommel, und dem rhythmischen Rascheln eines quadratischen Instruments, dass Lauriane Araste spielt. Immer wieder springt eines der Mädchen von der Bühne und führt das Publikum bei gemeinschaftlichen Tänzen vor der Bühne an. Familienpower, deren ansteckende Lebensfreude die nicht nur live mitreißt sondern auch auf dem aktuellen Album „Oyé Maloya“ gut rüberkommt. Mit Margareth Menezes kommt nicht nur eine prominente Musikerin aus Brasilien ins HKW, sondern auch protokollarisch hoher Besuch, denn Menezes ist Brasiliens parteilose Kulturministerin im Kabinett von Präsident Lula da Silva. Doch die Sängerin aus Salvador da Bahia tritt hier nicht als Regierungsmitglied, sondern völlig unprätentiös auf: sie trägt Jeans-Hemd- und -Hose zu Sneakern und ein buntes Kopftuch. Ihre Kraft und Bewunderung entstammen ihrer eindrucksvollen Stimme und den engagierten Texten, die nicht nur die vielen anwesenden brasilianischen Frauen zu Begeisterungsstürmen hinreißen und jede Silbe der Lieder nicht nur mitsingen, sondern mittanzen und mitfühlen lassen. Bühne statt Kabinettstisch: Kulturministerin und Sängerin Margareth Menezes. Foto: OHA Menezes Sound ist weniger akustisch traditionell, sondern mit E-Bass-, E-Gitarre und Keyboards deutlich elektrifizierter, als der der vorangegangenen Band Lindigo aber mit gleich vier Perkussionisten nicht weniger rhythmisch-orientiert und erinnert an die großen Perkussionsgruppen der Samba-Kultur aus Bahia. Ihr Auftritt beginnt mit dem Berimbau, dem einsaitigen Melodie- und Perkussionsinstrument, das wie kaum ein anderes für Brasiliens vielfältige Musik steht. Doch gleich danach übernimmt die Band mit einem Fusion-Sound, getragen von den stets hart und unerbittlich gespielten Clavé-Rhythmen der vier Drummer auf ihren großen und kleinen Trommeln aus Holz und Metall. Später erinnert Menezes auch an Kollegen wie Carlinhos Brown, der ihr Album „Maga AfroPopBrasileiro“ von 2001 produziert hat. Menezes steht für das große musikalische Wir, eine Musik, die wie in den Songs „Faraó“ oder „Elegibo“, jeden umarmt und mitreißt, zum Mitsingen und Mittanzen animiert, der in ihre Hörweite kommt (nachzuhören auf den „Macao Sessions“ von 2022). Es ist die Musik des Volkes, das zumindest für einige Minuten alle real existierenden Gegensätze (politische Einstellungen, Klassen- und Einkommensunterschiede) nivelliert und wünschen lässt, sie wären auch danach nicht mehr vorhanden. Auf dem Dach des HKW vereint sich das Berliner Weltmusikpublikum mit der vielfältigen brasilianischen und auch queeren Einwanderer-Community aufs allerschönste und lässt für einen Augenblick alle Grabenkämpfe um die Aufarbeitung des Kolonialismus, um Rassismus und Klassismus, Frauenrechte, Sichtbarkeit, Gender und alle anderen Ismen vergessen und in einem großen Chor aufgehen, der einfach nur die Musik aus Bahia und Margareth Menezes feiert. https://www.hkw.de/programme/terapia Cuban Film Festival - Big CubaTradition im Loop-EffektAuch am kleinen Klavier virtuos: Roberto Fonseca. Foto: OHA Juli 2024. Zur Eröffnung des Big Cuba – Cuban Film Festival spielte Roberto Fonseca ein Solo-Konzert im Kino Babylon in Berlin-Mitte. Zu Beginn des Konzerts kommt er auf die Bühne und zündet Kerzen auf einem Tisch neben dem Flügel an. Huldigung der Orishas und katholischen Heiligen der kubanischen Santería-Tradition. Ein Mann alleine am Klavier, geschützt von den Santos, nun darf es losgehen. Mit Glissandi über die gesamte Tastatur beginnt der kubanische Pianist Roberto Fonseca sein Solo-Konzert zur Eröffnung des Big Cuba-Filmfestivals im Kino Babylon in Berlin Mitte. Langsam schleicht er sich in einen modalen Groove. Mit den Füßen stampft er den Beat, Melodien schwirren wie Schmetterlinge aus dem Resonanzraum, Akkorde werden gehämmert wie von einem Zimmermann. Die linke Hand hält die Begleitfigur mit der Präzision eines Samplers, während die rechte spielt, was immer Fonseca gerade einfällt. Am Ende verfliegt die Improvisation wieder mit Glissandi. Roberto Fonseca ist Pianist, Komponist und Arrangeur und entstammt einer musikalischen Familie, der Vater Perkussionist, die Mutter Sängerin. Zu Beginn seiner internationalen Karriere hat Fonseca beim Buena Vista Social Club mitgespielt und den legendären Rubén Gonzalez im Orchester von Ibrahim Ferrer ersetzt. Sein Oeuvre umfasst inzwischen über ein Dutzend eigener Alben. Er hat kooperiert und performt mit den Größen der kubanischen und amerikanischen Jazzwelt, aber auch mit Musikern aus dem Maghreb und West-Afrika. In seiner eigenen Musik vermischen sich traditionelle kubanische Musikstile wie Son oder Bolero mit Jazz, aber auch Funk und Soul. Auf der Bühne des Babylon steht daher nicht nur ein schwarzer Flügel, sondern auch ein rotes E-Piano und am Boden ein Loop-Effekt-Gerät. Das daran angeschlossene Mikrofon nimmt die Beats einer Trommel auf, die Fonseca anschlägt und sich nach und nach zu einem komplexen Rhythmus-Geflecht ergänzen, ähnlich einer Rumba-Session, die normalerweise mit mehreren Musikern stattfindet und ebenfalls zur Santeria-Tradition gehört. Aus dem Radio, an dem Fonseca zwischen zwei Stücken dreht, erklingt erst „El Manicero“ ein Klassiker der kubanischen Musik, dann eine betörende Frauenstimme, sie singt einen zarten Bolero, es ist die Stimme der eigenen Mutter. Fonseca spielt dazu am E-Piano, melancholische Akkorde und Arpeggios. Immer wieder singt er auch selbst eine Linie am Klavier mit. Er erklärt die beiden Varianten der kubanischen Clave und animiert das Publikum zum Mitklatschen und Mitsingen, zitiert weitere Klassiker der kubanischen Musik wie „Quizás, Quizás, Quizás“. Mit seinem dunkelblauen Herrenhut verweist er auf die Ära der großen und eleganten kubanischen Rumba-Orchester der 40er Jahre. Genau diese Eleganz strahlt auch sein aktuelles Album „La Gran Diversión“ aus, das die kubanische Orchestermusik mit HipHop und Jazz vermischt. Am Ende jubelt das Publikum mit standing ovations und entreißt dem Pianisten im Anschluss die signierten CDs und Vinyl-Schallplatten und wirft sich in Pose für Selfies. Am 3.8. gibt es im Rahmen der Cuban Film Festival ein Konzert mit dem kubanischen Sänger William Vivanco und bis zum 4.8. sind täglich zahlreiche ältere, aber auch aktuelle Filme und Dokus kubanischer Filmemacher zu sehen. Jazzfest Berlin 2023Ehekrach und SirenenklangDas 60. Berliner Jazzfest wurde unter der Überschrift Spinning Time eröffnet, feierte den Free Jazz und kreative europäisch-afrikanische und deutsch-amerikanische Projekte. Die schrecklichen Kriegswirklichkeiten durften vier Tage lang draußen bleiben. Erstmals auf der Jazzfest-Bühne seit 60 Jahren: zwei Kinderchöre Dreißig Kinder wuseln quirlig in die erste Reihe des Zuschauerrangs des Berliner Festspielhauses. Sie werden angeführt von ihren Chorleiterinnen, denn es sind erstmals in der 60jährigen Geschichte des Jazzfest Berlin Kinder auf der Bühne nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Vorangegangen ist ein mehrtägiger Workshop, in dem der Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin und die Kapellknaben des Staats- und Domchor Berlin Jazz und Improvisation kennengelernt haben. Nun stehen sie in einem großen Projekt namens Apparitions (Erscheinungen) zweier Komponisten, des Pianisten Romain-Clerc Renaud und des Saxophonisten Antonin-Tri Hoang auf der Bühne. Die haben für ihr eigenes Quartet namens Novembre, für ein Cello-Trio und ein weiteres Trio aus Saxophon, Schlagzeug und Gesang und eben dem Kinderchor ein komplexes und inszeniertes Musikwerk erschaffen. Es setzt sich zusammen aus teils nur kurzen, teils sehr wilden Free Bop-Stücken und allerlei Geräuschen (Knackfröschen, Glöckchen, Papierrascheln) zusammen. Die hellen Kinderstimmen folgen dem Saxophonisten wie einst im Märchen vom Rattenfänger aus Hameln. Die beiden Schlagzeuger dirigieren Teile des Chors und lassen ihn zu einem Element des Drum-Sets werden. Ein Teil der Band verschwindet hinter schwarzem halbdurchsichtigem Stoff. Am Ende verschwinden alle im Dunkel. Ein kraftvolles Duo auf der Bühne, wie im Leben: Aki Takase und Alexander von Schlippenbach Mit Aki Takase und Alexander von Schlippenbach kommen anschließend zwei Ikonen der frei improvisierten Musik auf die Bühne. Sie sind musikalische Partner und auch ein Ehepaar. Schlippenbachs erster Auftritt beim Jazzfest Berlin war bereits 1966, Aki Takases 1981, wie Festivalleiterin Nadin Deventer vor dem Konzert betont. Es wird erneut ein denkwürdiger Auftritt, denn die beiden spielen auf zwei Flügeln so kraftvoll auf, als kämen sie gerade frisch aus der Hochschule. Dennoch unterscheiden sich Schlippenbachs und Takases Spiel deutlich: er repräsentiert eher ein nachdenkliches, verinnerlichtes Klavierspiel, während sie kraftvoll und expressiv in die Tasten haut und resolute Zeichen gibt. Die Stücke stammen überwiegend vom neuen Album Four Hands Piano Pieces und sind so kurzweilig, wie abwechslungsreich. Dazwischen ehrt Takase in einem Solo die kürzlich verstorbene Carla Bley und spielt mit Ida Lupino eine ihrer bekanntesten Kompositionen. Gemeinsam an nur einem Klavier geben die beiden auch einen winzigen privaten Einblick in ihre Künstlerehe: das Stück mit allerlei Gerätschaften auf einem Teil der Klaviersaiten habe viel anstrengende Auseinandersetzungen verursacht bis hin zu drohender Scheidung und heiße deshalb folgerichtig Zankapfel, erklärt Schlippenbach. Takase scheppert in der tiefen Lage, während Schlippenbach die oberen und cleanen Saiten spielt. Ihre Hände überkreuzen sich und scheinen sich dennoch auf wundersame Weise nie zu behindern. Ihre Phrasen ergänzen sich und manchmal scheint jeder zu spielen was er gerade will, scheinbar ohne den anderen zu beachten. Mit Takases Bearbeitung von Bachs C-Moll-Präludium und einem Bavarian Calypso verabschieden sich die beiden getragen von stehenden Ovationen von der Jazzfest-Bühne und zeigen damit sowohl ihre Verbundenheit mit der klassischen Musiktradition, als auch ihren Humor. Mit Kontrabass und ausdrucksstarken Stimmen: Fuensanta Den ersten Festival-Abend beendet auf der Seitenbühne eine ungewöhnliche Besetzung aus Amsterdam. Unter der Leitung von Sängerin und Kontrabassistin Fuensanta aus Mexiko versammelt sich ihr multinationales Ensamble Grande aus weiteren vier Frauenstimmen, Trompete und Saxophon und zwei Schlagzeuger*Innen. Sirenenhafte Chöre, Fuensantas kraftvolles Bassspiel gepaart mit ihrem ausdrucksstarken Gesang auf Spanisch und Englisch werden unterlegt von den treibenden Beats der Perkussion. Dieses außergewöhnliche Talent verzaubert mit seiner Mischung aus Jazz und seelenaufrüttelnder Folklore nicht nur ihr eigenes Ensemble, sondern auch das Publikum. Zweiter Abend Oral History über ägyptische Sänger*Innen: Nancy Mounir Ein Oral History Musik Projekt aus einer nicht gerade für Jazz bekannten Gegend der Welt, nämlich aus Kairo eröffnet den zweiten Festivalabend. Die Violinistin und Thereminspielerin Nancy Mounir hat die Geschichte ägyptischer Sänger und Sängerinnen aus den 1920er Jahren erforscht. Historische Plattenaufnahmen erklingen und dazu spielen acht Musiker*Innen die Orchesterarrangements, geleitet und gelegentlich auch ergänzt von Mounir und ihrem Theremin. Das elektronische Instrument, erfunden in derselben Zeit, passt perfekt zu dem von Ton zu Ton gleitenden Gesang der Ägypter, die auf den eingeblendeten Schwarzweiß-Fotos teils unglaublich modern aussehen und genauso durch das 20er-Jahre-Berlin gelaufen sein könnten. Die Sänger erzählen von ihren Erfolgen und heute als queer zu bezeichnenden Methoden, wie z.B. dass ein Mann Lieder aus Frauenpersepktive sang. Sie berichten von der Freiheit die die Sänger in der Moschee hatten, da sie als Solisten keinen Beschränkungen durch andere Instrumente oder Arrangements haben. Und von einer damals berühmten Sängerin, die sich nach dem Tod ihres Sohns in dessen Grabhaus zurückzog und aus der Öffentlichkeit für immer verschwand. Geräusche, Klang und freie Improvisation kann auch entspannend sein: Fred Frith, Maria Portugal und Santos Silva Der britische Gitarrist Fred Frith hat sich mit Trompeterin Susana Santos Silva und der Schlagzeugerin Mariá Portugal zusammengetan und demonstriert einmal mehr wieviele Klangmöglichkeiten in einer Gitarre stecken. Sie lässt auf den Schoß legen und ihren Saiten mit Bögen oder federnden Stäben bearbeiten. Man kann Schalen auf ihren Saiten ablegen, sie zupfen, aber auch trommeln, kratzen, schaben. All dies tut Frith seit Jahrzehnten mit Hingabe und Musikalität. Seine Partnerinnen sind auf ihren Instrumenten nicht weniger kreativ: Portugal benutzt zahlreiche Klangschalen und Glöckchen, lässt eine Bund bunter Plastikteile auf ihre Snare-Drum rieseln, Kuhglocken klingen zum Muhen von Kühen und dem Zwitschern von Vögeln. Silvas Trompete blubbert und rauscht und der zweite Ventilbogen wird entfernt und auf den nun offenen Löchern quasi Flöte gespielt. Das Ganze klingt dabei erstaunlich wenig wild, wütend oder chaotisch als vielmehr sehr liebevoll und erstaunlich ambient und entspannend. Expressive Free Rock Soli: Oddrum Lilja Jonsdottir „Jeder in dieser Band kann jedes Stück zu jeder Zeit spielen“, verspricht Bandleader und Drummer Paal Nilssen-Love. Sein Projekt mit skandinavischen Musiker*Innen namens Circus ist ein Septett, dass sich dem weitgehend freien Spiel verschrieben hat, allerdings weniger auf einer entspannenden, als vielmehr auf eine aufputschende Art und Weise. Wilde Free-Rocksoli von Gitarristin Oddrun Lilja Jonsdottir, die allerdings mangels guter Lichtregie im Dunkel außerhalb des beleuchteten Teils der Bühne stattfinden, gehören ebenso dazu wie spontane Tanzausbrüche (ebenso im Dunkel) von Vokalartistin Juliana Venter. Akkordeonist Kalle Moberg fegt über seine zahllosen schwarzen und weißen Knöpfe und Bassist Christian Meaas Svensson traktiert seinen E-Bass mit der flachen Hand. Das Publikum bettelt anschließend nach mehr. Am späteren Abend wird die Bühne wie schon in den Vorjahren zum Klub, das Publikum verlässt unter dem Titel Sonic Dreams: Chicago die Komfortzone der Theatersessel und nimmt Tuchfühlung auf mit den Musiker*Innen eben überwiegend aus Chicago. Fast wie in einer amerikanischen Innenstadt stehen da Musiker und Publikum auf Augenhöhe, die einen umringt von den anderen und feuern ungefiltert ihre musikalischen Botschaften ins Volk. Wütender Poet aus Chicago: Marvin Tate Da ist die wütende Poetry von Marvin Tate der als Teil von The Separatist Party kraftvoll und lauthals sein Botschaften dem Publikum entgegen brüllt. Er trifft den Ton eines wütenden Straßenpredigers auf laut folgt bei ihm nur noch lauter, man muss auch gar nicht exakt verstehen, was genau er sagt, jeder im Raum fühlt hier geht um Existentielles. Getragen wird Tate von den stur voranschreitenden Grooves der fünfköpfigen Band. Verhalllte Flötenlinien von Rob Frye und gedämpfte Kornettphrasen von Ben LaMar Gay lassen dem Publikum Zeit, die wütenden Tiraden zu verdauen, bevor Tate erneut das Wort ergreift. Improvisierte Elektronische Musik: Bitchin Bajas Kaum geendet beginnt sich ein neuer Kreis um drei Musiker zu bilden und ein Trio aus Bass, Drums und Tenorsaxophon improvisiert konzentriert. Mit den Bitchin Bajas ist auch elektronische Musik aus Chicago ist zu hören. Zwei Synthesizerspieler (Dan Quinlivan und Cooper Crain) und Saxophonist und Flötist Rob Frye improvisieren einen pulsierenden Soundtrack auf fast schon historischen elektronischen Instrumenten unterstützt von einem Computer. Selbst das anfängliche Streiken einer schon reichlich runtergerockten Transistororgel wird durch gezielte Schläge und anschließend dem Wechsel eines Amps durch den Künstler noch während des Konzerts gelöst. Elektronische Nerds sind ebenso begeistert wie Jazzfans. Spiritueller Jazz im Groove der Gimbri-Laute: Natural Information Society Abschließend strömt das Publikum zur großen Bühne auf der die Natural Inforamtion Society Platz genommen hat. Dieses achtköpfige Ensemble unterstützt durch einige Musiker*Innen aus Berlin wie Trompeter Axel Dörner unterwirft sich dem Groove der nordafrikanischen Basslaute namens Gimbri, gespielt von Joshua Abrams. Das urwüchsige Instrument mit nur wenigen Saiten klingt einem herkömmlichen Kontrabass erstaunlich ähnlich. Stoisch groovt nicht nur die Laute in der Hand des Mannes mit den beiden grauen Zöpfen, sondern ebenso stoisch erklingen ein Gewebe aus Bläserlinien und Harmoniumklängen darüber. Wir hören hier eine zeitgenössische Version der spirituell angefachten Fire Music von Pharoah Sanders und John und Alice Coltrane. Ari Brown ist hier Special Guest und der einzige Solist in diesem Ensemble. Mit großer Intensität, aber mit einfachsten Melodielinien soliert er am Tenorsaxophon durch die gesamte Performance. Die Einfachheit bei gleichzeitiger Komplexität ist hypnotisch und beendet den zweiten Festivalabend fulminant. Dritter Abend Der dritte Festivalabend wird eingeleitet von der Pianistin Marlies Debacker. Die Belgierin ist mit dem Inneren des Pianos mindestens genauso beschäftigt, wie mit der Arbeit an den Tasten. Das Sich-hinein-beugen in den großen schwarzen Flügel scheint geradezu ein Bild zu sein, für die Innerlichkeit, mit der Debacker diesen Abend gestaltet. Zart gezupfte Akkorde und wie eine Wolke aufsteigende Cluster kreieren einen meditativen Soundtrack ohne anbiedernde Wohlfühlharmonik. In einer ähnlichen Stimmung ist auch das folgende Konzert von Ellen Arkbro. Fahle Melodielinien unter der Überschrift „I get along without you very well“ entströmen der schwedischen Sängerin und Trompeterin und ihrem Sextett mit dem Pianisten und Klarinettisten Johan Graden, und erzeugen eine Stimmung wie eine kalte und einsame nordische Vollmondnacht. Etliche im Publikum entfliehen vorzeitig dieser kollektiven musikalischen Paartherapie. Nordische Melancholie mit Gesang und Trompete: Ellen Arkbro Das folgende Projekt hatte einen mehrjährigen Vorlauf und wird realisiert unter dem Einsatz von größeren Finanzmitteln (Hauptstadtkulturfonds). Es ist ein Kompositionsauftrag vom Jazzfest Berlin, und erforderte monatelanges Üben der Einzelstimmen durch die Musiker*Innen und dann auch noch einwöchige ganztägige Proben zweier miteinander kombinierter Bands aus Amerika und Berlin. Das ist insofern bemerkenswert, als viele Jazzmusiker sich rühmen, fast ohne Proben (Festival-)Konzerte zu geben. Häufig sehen sich auch von Kuratoren zusammengestellte Besetzungen oft erst beim Soundcheck vor dem Gig und sprechen dort nur das Allernötigste ab. Großer Aufwand erzeugt also auch große Erwartungen in das gemeinsame Projekt des amerikanischen Quintetts Zooid von Saxophonist und Flötist Henry Threadgill mit dem zehnköpfigen Berliner Ensemble Potsa Lotsa XL von Saxophonistin Silke Eberhard. Es wird zudem auch deutschlandweit live im ARD-Hörfunk übertragen. Mitbegründer der legendären AACM: Henry Threadgill Der bald 80jährige Afro-Amerikaner und Mitbegründer des Chicagoer AACM-Kollektivs hat in dem ihm eigenen Intervall-orientiertem Tonsystem eine einstündige Komposition geschrieben. Sie zu lernen, war offensichtlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten,wie die Festivalleitung nicht müde wurde zu betonen und wie auch im vorangegangen Artists' Talk zu erfahren war, zu dem allerdings Threadgill, anders als im Programmheft angekündigt, nicht persönlich erschienen ist. Einen Abend zuvor plauderte er noch gut gelaunt mit dem amerikanischen Journalisten Peter Margasak über seine Anfänge als Saxophonist, erste Misserfolge, die überwunden werden mussten, und seine Zeit in der Armee, zunächst als Musiker, später als Soldat in Vietnam und die Enstehung des AACM-Kollektivs. Zu seinem neuen Werk und zur Zusammenarbeit mit den Berliner Musiker*Innen mochte er aber auf Nachfrage nichts Substantielles sagen. Viel Tamtam im Vorfeld also, doch so pompös sich das alles anhört, so reduziert, zart und transparent klingt dann überraschenderweise das Ergebnis in der Konzertwirklichkeit. Es gibt sehr lange Solo- und Duoparts, sie sind, ungewöhnlich für Jazz, überwiegend detailliert auskomponiert, wie man auf Nachfrage hinterher erfährt. Sie werden nur selten unterbrochen von Passagen, in denen alle gemeinsam spielen. So will Threadgills Werk namens Simply Existing Surface weniger durch eine 15köpfige transatlantische Wall of Sound beeindrucken, als vielmehr durch rhythmische und melodische Komplexität, Klangvielfalt und Klangkombinationen, mit flirrenden Klarinetten, einem äußerst eleganten und gleichzeitig expressiv sich steigerndem Tenorsaxophonsolo von Patrick Braun oder einem orkanhaftem Drum-Solo von Kay Lübke. Das Threadgillsche Tonsystem hinter der Komposition lässt sich allerdings nicht deutlich heraushören und ist vielleicht eher als eine persönliche Methode anzusehen, konventionelle Dur-Moll-Jazzharmonik in Komposition und Improvisation zu vermeiden. Zwei Bands, ein Werk: Henry Threadgill mit Zooid und Potsa Lotsa XL Diese kompositorische Reduktion bei rhythmisch-melodischer Komplexität, und wohl auch das Lebenswerk von Henry Threadgill insgesamt, wird am Ende des Konzerts mit stehenden Ovationen bedacht. Der nimmt allerdings beim Schlussapplaus statt seiner Ko-Bandleaderin die Vibraphonistin Taiko Saito in den Arm, die zuvor ein rhythmisch präzises und mitreißendes Solo gespielt hat. Mag da jemand Erfolg nicht gerne teilen oder gab es doch künstlerische Unstimmigkeiten zwischen dem amerikanischen Star und den Berlinern? Und warum komponiert ein Jazzmusiker für andere improvisierende Solisten deren Soli aus? Kompositorischer Ehrgeiz oder doch eher fehlendes Vertrauen des Amerikaners in das Können der Deutschen? Der große Schlussapplaus fegt die sich stellenden Fragen leider nicht ganz hinweg. Mit Poesie kämpfen: Camae Ayewa alias Moor Mother Auf der Seitenbühne findet sich an diesem Abend im Spätprogramm die Band Irreversible Entanglements (Unumkehrbare Verstrickungen) mit der Poetin und Komponistin Camae Ayewa alias Moor Mother. Ayewa ist eine ausdrucksstarke Performerin, deren Poesie sich kämpferisch gegen Rassismus, für die Bürgerrechte der Afroamerikaner und für die Freiheit einsetzt. In diesem Jahr erhielt sie den Deutschen Jazzpreis als „Künstlerin des Jahres international“. Sie ist auf dem Jazzfest keine Unbekannte, hat 2018 bereits hier gespielt. Während sie in anderen Projekten HipHop oder elektronische Musik verwendet, hören wir sie hier mit einem rein akustischen, eher an Free Jazz orientiertem Ensemble mit Saxophon, Trompete, Bass und Drums. In dem sie geradezu berstend vor Wut ihre Texte ins Mikrophon schreit, Perkussion spielt und ihre Dreadlocks wirft. Keine Frage, hier geht es um Existentielles, um das Überleben als afroamerikanische Frau in einem immer noch rassistischen Amerika und einer nach wie vor von Rassismus und Sexismus geprägten Welt. Vierter Abend Der Tag beginnt mit der Filmpremiere Tastenarbeiter – Alexander von Schlippenbach von Tilman Urbach im Delphi-Kino, einem ehemaligen Ballsaal, der auch schon Spielstätte für das Jazzfest Berlin war. Filmemacher Urbach begleitet den Pianisten und Komponisten zu Proben und Konzerten, beobachtet ihn aber auch in seinem Alltag beim Notenschreiben, beim Kochen oder auf dem Balkon sitzen. Zu Wort kommen langjährige Weggefährten wie Manfred Schoof, Günther „Baby“ Sommer, FMP-Gründer Jost Gebers oder Schlippenbachs Frau Aki Takase und sein Sohn Vincent alias DJ Illvibe. Der Film hegt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit, er zeichnet ein eher grobes Bild der Entstehung des europäischen oder vielmehr deutschen Free Jazz, und zieht Parallelen zur politischen Entwicklung in den 60er Jahren. Das ist teilweise humorvoll, aber auch voller Auslassungen: die Frauen des Free Jazz (wie z.B. Iréne Schweitzer) kommen in diesem Film nicht vor, Aki Takase nur als Ehepartnerin, aber nicht wirklich als eigenständige Künstlerin. Womöglich sind noch viele weitere Filme nötig, die die verschiedenen hier nicht gezeigten Aspekte der frei improvisierten Musik in Deutschland thematisieren. Trotzdem ist es ein unterhaltsamer und humorvoller Film über einen eigensinnigen Künstler, und über eine Szene, die oft als sehr humorlos verschrien ist. Träger des diesjahrigen Albert-Mangelsdorff-Preis: Conny Bauer Am Nachmittag feierte die Deutsche Jazzunion im Kassenfoyer ihr 50jähriges Bestehen und wies auf die Notwendigkeit einer starken Interessenvertretung für die Belange der Jazzmusiker*Innen in Deutschland hin, deren Einkommen in der Mehrheit weit unter dem Bevölkerungsdurchschnitt liegen. Innerhalb der letzten 10 Jahre habe sich die Mitgliederzahl von damals nur noch 120 auf heute 1700 mehr als verzehnfacht, so Geschäftsführer Urs Johnen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth schickte per Video ein Grußwort und würdigte die Vertretung der deutschen „Tschäss“-Szene. Mit einer bewegenden Laudatio ehrte Musikjournalist Bert Noglik den Posaunisten Conny Bauer, den diesjährigen Träger des Albert-Mangelsdorff-Preis. Er habe sich durch sein meisterliches und innovationsfreudiges Posaunenspiel, seine solistische und seine Arbeit in diversen Ensembles noch in der DDR und auch nach der Wende bis heute qualifiziert. Später am Abend konnte Bauer im deutsch-amerikanischen Trio mit Schlagzeuger Hamid Drake und Bassist William Parker sein Können einmal mehr einem begeisterten Publikum zur Schau stellen. In einer fast einstündigen Gruppenimprovisation zeigten die drei, wie rhythmisch präzises und gleichzeitig freies Spiel klingen kann. Spielen scheinbar unbewegt hochbewegliche Linien: Bill McHenry und Andrew Cyrille Zuvor war mit Drummer Andrew Cyrille und Tenorsaxophonist Bill McHenry ein virtuoses amerikanisches Free Bop-Duo zu hören, das u.a. Stücke von Muhal Richard Abrams und Don Moyé spielte. Eurozentrischer Titel für ein europäisch-afrikanisches Projekt: Eurythmia von Eve Risser's Red Desert Orchestra Mit Eve Risser's Red Desert Orchestra kommt eine hochenergetische Fusion aus europäischem Jazz und westafrikanischer Improvisationstradition unter dem Titel Eurythmia, das besser Afro-Eurythmia heißen sollte, auf die Bühne. Denn afrikanische Klänge und Rhythmik und europäische Improvisations- und Klangkultur halten sich hier mindestens die Waage. Die französische Pianistin Eve Risser war bereits zu Gast beim Berliner Jazzfest und ist ein Energiebündel, die es kaum auf ihrer Klavierbank aushält, lieber im Stehen spielt, in das Innere des Pianos greift und dort Metallteile auf den Saiten arrangiert, ihre Band mit Gesten anfeuert oder einfach, begeistert von ihrer Band deren Musik, herumtanzt. Passend dazu trägt sie unter einer viel zu großen Jacke und weiten bequemen Hosen weiße Turnschuhe, mit denen sie auch gleich einen 100m-Sprint oder einen Weitsprung machen könnte. Ihr Orchester vereint zwei weitere Frauen an Balafon und Djembe (Belli und Mélissa Hié), und eine Bläsersection, in der der gut zwei Meter große Belgier Grégoire Tirtiaux sein Baritonsaxophon, schlank und beweglich klingen lässt, wie ein Tenor. Das spielt widerum Sakina Abdou und sie begeistert mit einigen intensiven Soli. Sichtlich berührt erinnert Risser an die kürzlich verstorbene Pianistin und Komponistin Carla Bley und widmet ihr ein Stück. 45 Jahre verschollen, nun auf der Bühne: das Album Natureza von Joyce Moreno Den Festival-Abschluss auf der großen Bühne mit der legendären brasilianischen Jazz-Samba-Sängerin und Songschreiberin von über 300 Titeln Joyce Moreno wollen dann nur noch erstaunlich wenige Zuschauer miterleben. Joyce, die ihr gleichnamiges Debüt 1968 herausbrachte, hat nun ein lange verloren geglaubtes Album, namens Natureza, veröffentlicht, das sie vor 45 Jahren mit dem legendären Arrangeur Claus Ogerman aufgenommen hat. Die Originalbänder sind verloren gegangen, es gab nur eine schlichte und nicht fertig gemasterte Kassette von dem großen Projekt mit Gastsängern, Streichern und Flöten. So blieb das Album lange unveröffentlicht, manche behaupteten sogar, es habe nie existiert, doch mittels heutiger Technik ist es möglich geworden, die Aufnahmen zu vollenden. Die Songs waren ohnehin in der Welt und wurden von Joyce und vielen anderen Kolleginnen längst gespielt. Auf der Bühne sitzt die äußerst agile und geradezu jugendlich wirkende 75jährige mit ihrer elektroakustischen Reisegitarre, die sie gewohnt souverän und rhythmisch präzise zupft. Ihr uptempo Jazz-Samba hält sich nicht mit allzu viel Innerlichkeit auf, sondern ist geradeheraus und mitreißend. Das Abschlusskonzert ist zugleich das erste, auf dem nicht die freie Improvisation dominiert, sondern tatsächlich Harmonien und Melodien in Dur und Moll erklingen. Es ist damit geradezu unerwartet konventionell für das überwiegend vom Free Jazz und der freien Improvisation dominierte Programm von Festivalleiterin Nadin Deventer. Die einstige Antagonie von Jazzfest Berlin (europäischer und US-Mainstream) und Total Music Meeting (freie Improvisation) ist in den inzwischen fünf Jahren unter Nadin Deventer zugunsten einer Dominanz der frei improvisierten Musik gänzlich verschwunden. Konventioneller oder Mainstream-Jazz findet sich im Programm kaum noch wieder. Anders als in früheren Jahren begegnet man heute kaum noch einem (amerikanischen) Jazzstandard bei den Konzerten des Jazzfests. Gefeiert wird die Fire Music, der Free Jazz und seine zeitgenössischen, oft elektronischen oder kammermusikalischen Weiterentwicklungen, bis hin zu Noise, Spoken Word Poetry und Anklänge aus dem HipHop. Ist das eine schlechte Entwicklung? Sicherlich nicht, denn das Jazzfest Berlin macht sich damit zu einem der wichtigsten Festivals für das Neue in Jazz und improvisierter Musik und feiert sowohl diejenigen, die heute Neues kreieren, als auch die, die in der Vergangenheit Neues kreiert und dafür oftmals auch einen Preis gezahlt haben und auch heute noch zu zahlen bereit oder vielmehr genötigt sind (siehe Absatz über 50 Jahre Deutsche Jazzunion). Mit den Schlussakkorden des Festivals kommt nun die Realität wieder über uns alle und man muss sich im Nachhinein doch fragen, wie es möglich ist, dass vier Abende lang kein einziges Mal der anhaltende Krieg gegen die Ukraine, kein einziges Mal Krieg und Terror in Israel und Palästina erwähnt wurden. Einerseits waren womöglich alle froh, den schrecklichen Nachrichten aus beiden Konflikten zu entfliehen, andererseits erscheint es aber auch sehr unpolitisch, sie in keinster Weise thematisiert zu haben. Und das bei einem Festival, das in den 60er Jahren durchaus damalige politische Konflikte wie den Vietnam-Krieg zu thematisieren wusste. Ein klares Statement der multinationalen, multireligiösen und multikulturellen Jazzwelt gegen Nationalismus, Extremismus, Krieg und Terror auf einem so renommierten Festival wie dem Jazzfest Berlin wäre nicht nur sehr schön, sondern auch sehr notwendig, gewesen. Text und Fotos: Oliver Hafke Ahmad Playground Festival 2023 in der Deutschen OperTechno hinter eisernen Vorhängen
Das Elektro-Duo Ameli Paul und die Klassik-Techno-Band Brandt Brauer Frick machen aus dem Bühnenraum in der Deutschen Oper einen Techno-Klub. Die Theaterferien neigen sich dem Ende zu, da öffnet eines der kulturellen Flaggschiffe im Berliner Westen, die Deutsche Oper, mit dem Playground Festival ihre Türen für eine Szene, die dort im normalen Programm nicht zu finden ist, nämlich für elektronische Beats. Bereits im letzten Jahr gab es die erste Ausgabe des Playground-Festivals mit damals noch einem halben Dutzend Acts. Diesmal sind es nur Drei, einer davon war bereits im letzten Jahr dabei, nämlich das Duo Ameli Paul. Und dieses Mal findet das Ganze nicht in der Werkstatt, sondern direkt auf der Bühne der Deutschen Oper statt, denn die ist groß genug, um einen Klubraum zu erschaffen, wie wir ihn sonst aus dem Berghain oder E-Werk oder anderen umfunktionierten Industriebauten kennen. Ein rechteckiger Raum, umgeben von riesigen eisernen Vorhängen, die normalerweise im Brandfall die Mitte der Opernbühne in alle Richtungen (zum Zuschauerraum, zur Hinterbühne und den Seitenbühnen) verschließen. Über dem Publikum hängen die nun leeren Traversen und Halterungen für die Bühnenhintergründe, es geht weit hoch in die nachtschwarze Oberbühne. Den hier künstlich und für einen Abend erschaffenen Klub betritt das Publikum über den Künstlereingang. Auf dem Parkplatz, wo sonst GMD (Generalmusikdirektor), Theaterarzt und Geschäftsführung ihre Stammparkplätze haben, wartet nun das Publikum auf Einlass und glüht mit ein paar Drinks vor. Es ist eine Mischung aus Operngängern (eher älter) und Fans elektronischer Musik (eher etwas jünger). Ziemlich häufig scheinen hier beide Welten innerhalb von Familien aufeinander zu treffen, viele sind tatsächlich mit ihren Eltern da, Jung und Alt gemeinsam im Klub, da würden wohl die meisten Türsteher in Berlins Kluballtag ihre breiten Schultern davorschieben und den Einlass verweigern. T-Shirt und Hoodie-Träger treffen auf Anzug- oder zumindest Hemdträger, und Trägerinnen von teilweise imposant glitzernden Abendkleidern. Undercut, Asymmetrisches und kunstvoll Verwuscheltes treffen auf ordentliche Faconschnitte und gerade Scheitel. Im Dunkel und in der Enge der zum Klub umfunktionierten Bühne nivellieren sich später die Unterschiede, alle werden zu einer wippenden und tanzenden Masse.
So wenig wie die Lichttechniker dem Publikum ein Saallicht gönnen, so wenig ist vom Treiben auf der Bühne zu sehen. Denn die Zeiten, in denen die Künstler auf der Bühne von einem Spotlight hell ausgeleuchtet werden, sind in den meisten Klubs lange vorbei, so auch hier. Die Musiker bleiben meist im Dunkeln, nur hin und wieder blitzt eine weiße Lampe direkt von oben auf, monochromes LED-Licht dominiert. Der Effekt: vieles bleibt geheimnisvoll im Dunklen, nur hier und da leuchtet etwas auf. Abstrakte Formen, Linien und Punkte werden auf den Hintergrund projiziert. Das regt die Fantasie der Zuschauer an, denn eigentlich gibt es hier im Vergleich zu den ausgefeilten Bühnenshows vieler Popstars ja auch nicht allzuviel zu sehen. Genau wie im Klub soll es ja auch keinen Starrummel geben, mit denen da oben im Scheinwerferlicht und uns dem Publikum hier unten im Dunkeln. Im Klub sollen alle gleich sein, vereint im mitreißenden und unerbittlichen Beat, so zumindest in der Theorie. In der Praxis dieses Abends stehen eine Frau und ein Mann an einem großen Tisch und drehen an Kästchen herum. Hin und wieder nehmen sie die Hände mit großer Geste weg von den Knöpfen und Tasten, zumeist wenn ein deutlicher Wechsel im Rhythmus zu hören ist, und hüpfen für ein paar Sekunden frontal zum Publikum. Damit ist im Wesentlichen die Bühnenshow von Ameli Paul beschrieben, das Kölner Duo, das den Anfang macht bei diesem „Festival“, das ja aus nur zwei Bands und einer anschließenden Plattenauflegerin (DJ Océane) besteht. Der Bühnenminimalismus von Ameli Paul macht aber trotzdem Spaß, denn Franziska Ameli Schuster, kann wirklich gut singen, ihre Locken wild hin- und herschmeißen und auch mal große Sängerinnenposen einnehmen, mit ausgestreckten Armen und durchgedrücktem Rücken. Ihre klassische Ausbildung blitzt hier durch. Von chansonhaften Phrasen über souligem Gesang, bis hin zu Operngesang (nachzuhören in der Single „Encore“) hat sie alles drauf, bietet es aber gerade so sparsam an, dass man ihrer Stimme nie überdrüssig wird, im Gegenteil immer gerne mehr davon hören würde. Es dominiert in dieser Performance ein massiver, dunkler und dichter Technosound, der einerseits zum Tanzen anregt und andererseits das halbe Dutzend Subwoofer vor der Bühne ordentlich beschäftigt.
Ebenso technoid wie die von Ameli Paul ist die Performance von Brandt Brauer Frick. Das Trio ist bekannt für seinen Techno auf Basis zumeist klassischer akustischer Instrumente. Damit bespielen sie seit Jahren sowohl Elektroklubs, als auch Konzertsäle in aller Welt. Hier auf der Bühne stehen aber nur ein paar wenige akustische Schlagzeugteile (eine Tomtom, eine Hihat), ansonsten eher elektronisches Werkzeug: zwei elektronische Drumpads, zwei Keyboards, ein Laptop und ein großes Mischpult. Jan Brauer ganz links spielt einen roten Clavia Nord-Wave-Synthesizer, moduliert den Bass-Sound an einem monophonen Synthesizermodul und manipuliert andere Details aus dem Gesamtsound live an dem großen Mischpult neben ihm. Mit weißem Hemd und schwarzem Schlips und einer ordentlichen Seitenscheitelfrisur zitiert er den Look der Band Kraftwerk. Paul Frick ihm gegenüber, lange Haare, weiter Anzug, ist für die oft repetitiven Klavier- und E-Pianolinien zuständig, bedient das Laptop mit der Ableton-Software und den vorproduzierten Loops darauf.
In der Mitte steht Schlagzeuger Daniel Brandt. Während der Grundpuls und die rhythmischen Sequenzen aus dem Computer kommen, ist er zuständig dafür, menschliche Variation in die vorbereiteten Tracks zu bringen und das vor allem auf der Hihat, denn keine programmierte Hihat klingt jemals so lebendig und abwechslungsreich, wie eine von Hand gespielte. So können wir hier einen teils handgespielten Technosoundtrack hören, der eben nicht nur von Maschinen oder Software wiedergegeben wird, sondern hören einerseits Samples und Loops und hören und schauen trotzdem Musikern beim Spielen zu. Das hat den Vorteil, dass, wenn die Maschinen mal nicht ganz so wollen, wie sie sollen, nicht alles zusammenbricht. Die Drei kämpfen zu Beginn ihrer Performance mit einem falsch gestöpselten oder defekten Kabel, schaffen es aber, den für das Publikum unhörbaren Fehler noch während der Performance durch beherztes Umstecken zu beheben. „Wir haben ein Problem, es klingt nicht so, wie es soll“, entschuldigt sich Jan Brauer. „Klingt trotzdem geil“ ruft jemand aus dem Publikum. Danach läuft es reibungslos, und Brandt Brauer Frick legen ein mitreißendes Set vor allem mit Tracks vom aktuellen Album Multi Faith Prayer Room hin, dessen Sounds ihre Herkunft aus der klassischen Musik oder dem klassischen Instrumentarium möglicherweise durch den extrem basslastigen Mix kaum erkennen lassen, im Gegensatz zu ihren Alben, wo Streicher oder Bläser deutlich hörbar sind. Doch solche Details stören hier niemanden, der begeisterte Applaus am Schluss ihres Sets ist ihnen sicher. Nun darf DJ Océane den Abend ausklingen lassen. Der Techno-Klub auf der Opernbühne funktioniert dank dieser beiden mitreißenden Live-Acts und dank der geradezu authentischen Atmosphäre zwischen den eisernen Vorhängen. Schade nur, dass er wohl erst in den nächsten Theaterferien wieder öffnen wird. Elektronische MusikHypnotische Modulationen unter PalmenThe Circle of Live – eine siebenstündige elektronische Improvisation im Rahmen des Kultursommerfestival 2023 im Botanischer Garten Berlin20. August 2023. Wo sonst Spaziergänger und Pflanzenliebhaber unterwegs sind, wummern an diesem sonnigen Sommersonntagnachmittag sanft Bässe über die Wiese vor den großen Gewächshäusern. Rosaweiße Schirme, Handtücher und Liegestühle sind über die Fläche vor einer Bühne verteilt. Links und rechts von ihr zwei ausladende Dattelpalmen. Ein junges Publikum, das sonst wohl eher die Wochenenden in Klubs als in der Natur verbringt hat sich nach Berlin-Steglitz begeben, um einer siebenstündigen elektronischen Live-Improvisation beizuwohnen. Es vermischt sich mit jungen Paaren, die nun ihre Babies und Kinderwagen mitgebracht haben und Senioren, die womöglich noch Krautrockbands in den 70er Jahren live erlebt haben. The Circle of Live heißt das Improvisationsprojekt des schwedischen Komponisten und Musikproduzenten Sebastian Mullaert, das hier unter freiem Himmel auf die Bühne kommt, und es ist natürlich eine Anspielung auf das Live-Spielen im Kreise mehrerer Musiker*Innen und den Kreis des Lebens. Mit ihm stehen um einen großen Tisch voller elektronischer Instrumente Produzentin und DJ Erika und Berghain-Resident-DJ Barker. Daneben steht am Mikrofon der Sänger Wayne Snow. Er ist für den souligen Part, für den menschlichen Atem in dem Maschinenpark zuständig. Auch er improvisiert, und zwar Texte, die ihm scheinbar spontan einfallen, die er gleich in eine kleine Kladde notiert und danach wie ein Mantra ins Mikrofon singt, haucht spricht, später am Abend sogar klassisch anmutend mit viel Vibrato jubiliert. „Music is my healing. I use it as a medication“ heißt es eine zeitlang, bis die Phrase im Delayeffekt verschwindet. Er nimmt gut gelaunt Kontakt zum Publikum auf, während die anderen drei hochkonzentriert und ernst über ihre Kästchen gebeugt sind, an Knöpfen drehen und Tasten drücken. Es entsteht dabei ein gemächlich groovender Soundtrack zu dem fröhlich entspannte Gespräche geführt werden oder auch träumend in den Sommerhimmel geblinzelt wird. Manche schließen die Augen, Andere schauen fasziniert dem Treiben auf der Bühne zu. Vor Muellaert türmen sich ein Laptop, zwei Drum-Maschinen, Synthesizer und Effektgeräte, Barker hat eine große Tastatur vor sich, die er aber nur gelegentlich mit zwei Fingern bedient, wohl als Auslöser für Sampler oder Synthesizer und einen vielspurigen Mixer. Erika steht weitgehend reglos vor einem imposanten Sequenzer mit LED-Lichtern angeordnet wie eine Schnecke, sie ist möglicherweise zuständig für einiges an rhythmischem Zirpen, das man hören kann. Außer bei dem Sänger, fällt es schwer festzustellen, welchen Effekt das Tun der Drei auf das klangliche Ergebnis hat, nahtlos fügen sich die Klänge ineinander und verschwinden wieder. Trotz der vielen Geräte und wahrscheinlich vielfältigen Möglichkeiten das Klanggebäude zum Wackeln, wenn nicht gar zum Einsturz zu bringen, fügen sich all die live erzeugten Klänge und rhythmisch überlagernden Töne zu einem harmonischen und geradezu hypnotischen Ganzen. Man wird magisch hineingezogen in diesen minimalistischen Soundtrack, der oft so klingt, als müsste gleich etwas losgehen, aber dieses Etwas ist dann nur etwas ganz Kleines, keine große Melodie oder eine neue Harmonie, sondern zumeist nur ein kleiner Wechsel von Sounds oder kleinsten Klangfetzen eines Pianos oder eines Zufallstöne produzierenden Basssynthies. Manchmal setzt die Drum-Machine aus, dann kommt der Beat wieder rein. Die Zeit vergeht dabei im Flug. Mullaert improvisiert einen Akkord auf einem Synthesizer. Wayne singt ein paar Worte, wiederholt seine Zeile bis sie wie von Geisterhand sich selbst wiederholt und er dazu etwas Neues erfindet, oder er sich einfach selbst zuhört, um dann wieder von der Bühne abzutreten und den Maschinen und ihren Operateuren allein das Feld zu überlassen. Als es langsam dunkel wird und immer voller, denn anders als die Veranstalter gedacht haben, kann sich kaum jemand dem Sog der Musik entziehen und gehen, beginnen allmählich immer mehr zu tanzen und die kleinen Veränderungen in Sound und Rhythmus zu bejubeln. Nach sieben Stunden, die Sonne ist längst untergegangen, endet der Kreis des Lebens, die elektronische Live-Improvisation der Vier mit klassisch anmutenden Gesangsphrasen von Wayne Snow. Zurück bleibt ein inspirierendes und euphorisches Schwingen und Pulsieren, das auch viele weitere Tage anhält. The Circle of Live ist eine großartige elektronisch-musikalische Grenzerfahrung, in der vier Menschen seelenlosen Maschinen lebensfrohe Musik entlockt haben, glücklich wer dabei sein konnte. Oliver Hafke Ahmad https://www.draussenstadt.berlin/de/kultursommerfestival/ West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim und Igor Levit in der WaldbühneMusik für die Morgen danachBerlin, August 2023. Dieses Orchester ist ein Phänomen, ein wahr gewordener Traum von einem friedlichen Zusammenleben und -arbeiten von Menschen, die aus Religionen und Kulturen stammen, die oft genug gegeneinander aufgehetzt werden und sich auch oft genug allzu leicht gegeneinander aufhetzen lassen. Hier sitzen sie friedlich beieinander, die Araber und Juden aus Israel, Palästina, dem Libanon, Syrien, aber auch der Türkei, dem Iran und Spanien und machen Musik, hören aufeinander, harmonieren miteinander und produzieren hochprofessionell und dennoch leidenschaftlich Musik. In ihr schwingt stets die Hoffnung mit, dass dieses friedliche Miteinander im Orchester auch auf das Leben jenseits der Bühne einwirkt, dass Frieden, Toleranz, Akzeptanz und Respekt vor dem Anderen nicht nur in der Kunst, in der Musik gelebt werden, sondern auch im normalen Alltag und vor allem auch in der Politik funktionieren. Dieses idealistische Glühen haben all die jungen Musiker und Musikerinnen auf den Wangen, als sie vor das Publikum in der Berliner Waldbühne treten, um den Abschluss ihrer alljährlichen Sommertournee zu zelebrieren. Und das an einem Ort, der einst für selbsternannte Herrenmenschen erbaut wurde, die alle anderen unterwerfen oder auslöschen wollten. Auch an der bis heute anhaltenden Zwietracht und dem Antisemitismus im Nahen Osten hat Deutschland einen historischen Anteil, wie wir in einer aktuellen Publikation zum Thema lernen können. So viel humanistische Bedeutung, so viel nervige Nahost-Politik und apokalyptisch gescheiterte Welteroberungsprojekte, das Publikum wischt all die vielschichtigen Bedeutungen weg mit seinen heiteren Farben, sommerlichen Kleidern und Strohhüten an diesem heiteren und leichten Sommerabend, wie einen Klecks von Vanilleeis auf Bermudashorts. Auf zwei Videoleinwänden wird die Entstehung des Orchesters erklärt, der beiden Gründer gedacht, dem palästinensischen Intellektuellen Edward W. Said, der bereits 2003 verstorben ist, und dem argentinisch-israelischen Dirigenten des Orchesters Daniel Barenboim. Aber das Publikum ist mehr mit sich selbst beschäftigt, mit Sehen und Gesehen werden, Getränke kaufen, Plätze suchen, Selfies machen. Dieses Orchester mit Mitgliedern aus dem gesamten Nahen Osten wird gleich an diesem bedeutungsschwangeren deutschen Ort, deutscheste Musik spielen, nämlich Beethoven und Brahms. Gibt es keine arabischen und israelischen Komponisten, die für Orchester schreiben? Wäre dies nicht genau das i-Tüpfelchen auf der Arbeit des West-Eastern Divan Orchestra, nicht nur miteinander zu musizieren, sondern auch die jeweilige Musik der Anderen zu spielen und damit sich mit deren Kultur intensiv zu beschäftigen und sie zu würdigen? Oder scheitert es an der schnöden Veranstaltungsökonomie? Wäre mit so einem Programm von hierzulande wohl eher unbekannten Komponisten die Waldbühne nicht so schön voll zu bekommen, wie sie es an diesem Samstagabend ist? Es würde sich sicher lohnen, dies mal auszuprobieren! Eigentlich sollte Martha Argerich, die lebenslange musikalische Freundin von Dirigent Daniel Barenboim, den Klavierpart übernehmen, doch die Grande Dame des Klavierspiels musste krankheitsbedingt leider absagen. Mit Igor Levit kommt stattdessen einer der jüngeren Publikumslieblinge der Klassikszene auf die Bühne, die der sich erstmals mit Barenboim teilt. Der in Berlin lebende russisch-stämmige jüdische Pianist kümmert sich nicht nur um sein Klavierspiel, sondern mischt sich altersgerecht per Social Media auch immer wieder in die Politik und aktuelle gesellschaftliche Debatten ein. Mit leichter Hand und bei Bedarf mit kräftigem Zupacken spielt Levit gemeinsam mit dem Orchester Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur. Der inzwischen 80jährige Pianist und Dirigent Daniel Barenboim leitet das offensichtlich gut geprobte Orchester im Sitzen, teilweise mit nur einem Arm und nur wenigen Bewegungen eher in Bauch als in Brusthöhe. Doch die Autorität seiner über sieben Jahrzehnte währenden Musikerkarriere reicht, um auch mit geringsten Mitteln Effekt bei seinem Gegenüber zu erzielen. Er zeigt den überwiegen jungen Musiker*Innen nur das Nötigste und zwingt sie damit zu selbstverantwortlichem aber dennoch gemeinschaftlichem Spiel. Und so wird Levit am Flügel an diesem Abend zum Ko-Dirigenten, denn auch er zeigt dem Orchester immer wieder mit spitzbübischem Lächeln wo er sich dessen Einsatz nach seinen Klavierparts wünscht. Levit zelebriert die fein ziselierten Linien im 1. Satz ebenso, wie die Zartheit und Innerlichkeit von Beethovens 2. Satz. Sehr schön gelingt das Interplay zwischen dem Piano und den Holzbläsern, den Oboen, Klarinetten und Flöten im 3. Satz, perfekt in Intonation, Ausdruck und Dynamik. Klug installierte und weitgehend unsichtbare Videokameras und die bestens geschulte Videoregie zeigen auch den hintersten Rängen das musikalische Geschehen im Detail auf zwei großen Leinwänden links und rechts der Bühne. Wo kann man sonst ein Orchester gleichzeitig live und im Detail auf dem Bildschirm verfolgen? Ein Genuss für jeden Musikinteressierten. Der Solist Levit, Dirigent Barenboim und das Orchester erhalten schon zur Pause lang anhaltenden Applaus. Ohne Klavier und mit vergrößertem Orchester geht es nun weiter mit Brahms 2. Sinfonie in D-Dur. Auch hier zeigt sich Barenboim als altersweiser musikalischer Leiter, der mit den ihm offensichtlich immer weniger noch zur Verfügung stehenden körperlichen Mitteln das Maximum an Musikalität aus einem Orchester herauszuholen versteht. Barenboim gibt kaum noch Tempi an, zeigt nur noch die großen musikalischen Bögen an und gibt nur vereinzelt die Einsätze. Das Orchester spielt dabei mit einer Hingabe und Präzision, als würde Barenboim jede einzelne Note dirigieren. Wer will schon diesem Mann und diesem großen Publikum missfallen? Es ist nicht einfach nur ein Konzertabend wie viele andere, es ist ein Paradebeispiel kultureller Aneignung oder vielmehr kultureller Verschränkung, das wir hier erleben und zwar im besten Sinne. Hier bestiehlt Niemand einen Anderen und dessen Kultur um davon materiell und künstlerisch zu profitieren, hier wird von einem russisch-jüdischen Pianisten, einem argentinisch-jüdischem Dirigenten und einem arabisch-jüdischen Orchester, allesamt zuhause in Berlin, Musik von zwei deutschen Komponisten der Klassik und Romantik gespielt - auf Instrumenten, die ursprünglich aus dem persischen und arabischen Raum zu uns nach Europa gestoßen sind und in einem Tonsystem, das u.a. in Griechenland seine Wurzeln hat. Wer will die Ergebnisse dieser unentwirrbaren kulturellen Verwebungen noch einer einzelnen Nation, einem einzelnen Kulturraum zurechnen? Über all diese schweren Gedanken wurde einfach hinweg musiziert an diesem heiteren und hochmusikalischen Sommerabend in der Berliner Waldbühne. Das Orchester glühte vor Spielfreude und Idealismus, Igor Levit spielte auf meisterlicher Höhe seines Könnens, fest im Blick, dass seine Karriere ihn noch weit bringen wird, Daniel Barenboim war zu erleben als alterweiser Dirigent, zurückblickend auf eine atemberaubende Geschichte. Ein denkwürdiger, ein hoch musikalischer, ein heiterer und ein eindeutig auch politischer Abend, der die Erfüllung seiner Ideale am Morgen danach, im Alltag nicht nur anregt sondern geradezu verlangt! Oliver Hafke Ahmad https://west-eastern-divan.org/ Maerz Musik 2023Echte Kopien hinter RollosMit einem brennend aktuellen und gleichzeitig unterhaltsamen, bunten und humorvollen Programm startete die diesjährige Ausgabe der Maerz Musik, des Festivals für zeitgenössische Musik der Berliner Festspiele unter der neuen Künstlerischen Leitung von Kamila Metwaly und Gastkurator Enno Poppe. Der etwas sperrige Untertitel Festival für Zeitfragen ist nun weggefallen, stattdessen darf auch mal gelacht werden. In der Bühnenperformance „Hide To Show“ des Komponisten Michael Beil geht es um das geradezu virtuos inszenierte Thema Digitale Medien und Social Media: Was ist echt? Was ist Kopie? Was ist live? Was ist Playback? Was passiert jetzt? Was ist nur vorgetäuscht? Was ist authentisch? Was ist technisch manipuliert? Wir schauen auf die große Bühne des Festspielhauses, darauf stehen sechs schwarz ausgekleidete Kabinen, die zum Publikum hin offen sind, und die von ihren Insassen einzeln durch Rollos geöffnet und geschlossen werden können. Die Rollos verschließen nicht nur, sie sind auch Projektionsflächen, mal halb, mal ganz durchlässig. Sie werden durch die darin sitzenden Musiker*Innen auf- und wieder zugezogen. Einblick wird gewährt, dann wieder verweigert. Aus dieser Idee hat der Komponist Michael Beil mit dem belgischen Nadar Ensemble und mittels aufwendiger Video- und Projektionstechnik eine komplexe Choreographie komponiert, in der Vollplayback, Halbplayback und Live-Gespieltes teils fließend teils abrupt ineinander übergehen. Wir sehen die Musiker in ihren Umkleidekabinen vor einem imaginären Auftritt, sie spielen ein paar Töne, machen ein paar Tanzschritte, ziehen sich um, singen vor sich hin. Die Lamellen werden von Hand geöffnet und wieder verschlossen. Auf den Lamellen sehen wir dann was scheinbar hinter dem Rollo vor sich geht, oder eben genau das nicht, denn plötzlich ist jemand anderes in der Kabine, oder plötzlich sitzen alle in derselben. Ein Musiker läuft vor den Kabinen entlang, sein digitaler Zwilling folgt ihm als Projektion. Es darf gelacht werden in dieser äußerst amüsanten und sehenswerten Performance. Sie spielt virtuos mit den Möglichkeiten der Video- und Projektionstechnik, des Sounddesigns und der digitalen Vervielfältigung, Verzögerung, Dokumentation/Überwachung. Ein blauhaariges Anime-Mädchen wird plötzlich real auf der Bühne, ein TikTok-Internetphänomen, wie der Lauchtanz zu einer realen Choreographie auf der Festivalbühne. Wir sind heutzutage alle echt und digital zugleich, werden von Kameras erfasst, von Monitoren wiedergegeben, werden geschönt, nachgeahmt oder parodiert. Wir existieren und inszenieren uns in Echtzeit und zeitverzögert zugleich. KI versucht unser Handeln und unsere Gedanken vorherzusehen und vorwegzunehmen. Und auch wer sich versteckt oder verweigert, seine Social Media Accounts publikumswirksam deaktiviert oder verschenkt, kann damit viel von sich zeigen „Hide To Show“ eben. Ganz und gar auf den Augenblick und eine einzige Musikerin konzentriert ist dagegen die Komposition „Sex Magic“ der australisch-chinesischen Komponistin Lisa Lim. Sie wurde am Eröffnungswochenende in der Betonhalle des Silent Green in Berlin-Wedding aufgeführt. Zur unterirdischen Halle geht es eine lange Rampe hinab. Blaues Licht trifft auf grauen Beton, Silberfolien liegen auf dem Boden. Eine in Folie gehüllte Gestalt mit einer Feder im Mund bewegt sich in der Mitte der befahrbaren Rampe. „Gimme your future, gimme your time, gimme your thoughts, gimme your sorrow“ ruft sie und dazu erklingen Geräusche von vorbeifliegenden Flugzeugen. Es ist die Performance „Echoing Contemporary“ von Liping Ting deren „poésie d'action“ die Zuschauer auf das kommende einstimmt. In der Halle ist die Bühne einem buddhistischen Schrein ähnlich aufgebaut. Eine große Rahmentrommel mit zwei aufgeklebten Tonabnehmern hängt im Hintergrund. Blumengirlanden schmücken das Gestell. Eine mannshohe Kontrabassflöte wartet auf Ihre Spielerin und steckt in einer Tom-Tom ohne Schlagfell, dahinter eine Bass-Drum mit Pedal. Frische Blumen, Muscheln und Lichterketten im Vordergrund. Es ist die visuelle Verpackung für eine einstündige Komposition, die eher wie eine ausführliche Improvisation wirkt. Die amerikanische Flötistin Claire Chase hat bereits vor 10 Jahren mit Density 2036 ein auf 24 Jahre angelegtes Projekt initiiert, in dem sie alljährlich ein Auftragswerk für die Flöte vergibt und dann selbst uraufführt. Die Komponistin Liza Lim hat mit „Sex Magic“ für Claire Chase ein wie eine Zen-Meditation daherkommendes Werk geschaffen, in dem Chase vor allem auf der Kontrabassflöte und auch ein klein wenig auf der vergleichsweise winzigen Okarina zu hören ist. Kraftvoll aber dennoch mit Leichtigkeit meistert sie dieses Ungetüm von einem Instrument, dass man meint ein kleine handliche Shakuhachi zu hören, wären da nicht diese wuchtigen Bässe. Sie verschmelzen mit zischenden Atemgeräuschen und langen Melodietönen oder verwandeln sich in Feedbacks, die klingen wie aus einer Gitarre von Jimi Hendrix. Das armdicke Rohr der Flöte steht in einer TomTom-Trommel auf dem Resonanzfell, je stärker Claire Chase die Flöte in das Fell drückt, desto mehr erzeugt sie die Rückkoppelungen, die von Senem Pirler am Mischpult dosiert werden. Damit das meditative und ritualhafte der Komposition nicht in Entspannungsmusik abgleitet, durchbricht immer wieder das Rasseln eines Stemmbohrers die Stille. An einigen Stellen stampft Chase auf das Pedal der Bass-Drum und akzentuiert damit das Anblasgeräusch der Flöte. Eine furiose Solokomposition für eine außergewöhnliche Performerin,. Mit „Sonic Meditations“ der kalifornischen Pionierin der elektronischen Drone-Musik und Achtsamkeitsphilosophie Pauline Oliveros aus dem Jahr 1971 endet der Samstag in der Betonhalle. Es ist ein zweistündiges ununterbrochenes Rauschen und tieffrequentes Dröhnen, das, unter Verweigerung jeglicher wahrnehmbarer Veränderungen, die Zuhörer*Innen auf sich selbst zurück wirft. Zunächst gespannt dem Kommenden harrend, viele mit neonfarbenen Stöpseln im Ohr, irritiert oder langweilt das etliche Zuschauer*Innen so sehr, dass nach kurzer Zeit bereits die Ersten die Halle verlassen. Erst nach einer Stunde des ununterbrochenen Rauschens und Dröhnens erheben sich acht Personen aus dem Publikum und beginnen vor den vier Lautsprecher-Subwoofer-Paaren jeweils zu zweit Tai-Chi-Bewegungen zu machen und durch die Reflexionen ihrer Körper das Rauschen minimal zu modulieren, während gelegentlich und unvorhersehrbar die Scheinwerfer flackern. Man kann an sich selbst beobachten, wie der Geist nach kleinsten akustischen Veränderungen giert, sie vielleicht sogar halluziniert, wie die eigene Körperhaltung oder die Öffnung des Mundraums den Schall und seine Wahrnehmung verändert. „Sonic Meditations“ ist ein radikales und keineswegs angenehm zu hörendes Kunstwerk, fernab der harmoniesüchtigen Entspannungsmusik, wie es sie heute massenhaft auf Musikplattformen zu hören gibt. The New Yorker über Pauline Oliveros Mehr Artikel in unserem Live-Archiv. |
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